Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro (Mitte) feiert den Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens als Erfolg. Kritiker sehen darin einen Persilschein für den umstrittenen Staatsmann.
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Die EU hat mit dem lateinamerikanischen Staatenbund Mercosur den Aufbau der weltweit größten Freihandelszone vereinbart. Brüssel verspricht sich davon mehr Wohlstand auf beiden Seiten. Europas Industrieunternehmen sind begeistert. Landwirte und Umweltschützer jedoch alarmiert. Ist das Abkommen schlecht für Bürger, Bauern und Bäume?


Für

· Signal gegen Abschottung

Nach 20 Jahren wurden die Gespräche über den Handelsvertrag zwischen der EU und den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay) abgeschlossen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnete das als Signal für gemeinsame Werte und Unterstützung des multilateralen, regelbasierten Systems – eine klare Kritik an Donald Trump. Zusammen mit dem jüngst in Kraft getretenen EU-Japan-Abkommen hat Brüssel durch das Mercosur-Abkommen frische Munition im Handelskonflikt mit Washington gewonnen.

· Unternehmen und Konsumenten profitieren

Die EU ist für die Mercosur-Staaten der größte Handels- und Investitionspartner. Von einem Wegfall von Handelsbarrieren würden laut Kommission rund 60.500 europäische Unternehmen profitieren. Für die südamerikanischen Konsumenten würden Preise von Autos oder Medikamenten, aber auch von Olivenöl oder Wein sinken. Umgekehrt profitieren Europäer von günstigeren Importen, vorwiegend bei Lebensmitteln – Steakliebhaber stehen in den Startlöchern. Einfuhrquoten sollen heimische Bauern schützen.

· Bekenntnis zu Sozial- und Umweltfragen

Das Abkommen beinhaltet auch Kapitel zu den Themen Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte, wie Brüssel betont. Auch ein Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen sei enthalten. "Klare und robuste" Regeln zum Thema Nachhaltigkeit würden auch NGOs einbinden und für Transparenz sorgen.

Wider

· Legitimation für Populisten

Statt dem US-Präsidenten gemeinsam die Stirn zu bieten, liefere das neue EU-Mercosur-Abkommen ein Feigenblatt für Donald Trumps Bruder im Geiste, Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, sagen Kritiker des Deals. Dessen Gegner prangern Bolsonaros Hang zum Autoritären, seinen Umgang mit indigenen Völkern sowie seine umweltschädliche Politik an. Ein Deal mit solchen Politikern widerspreche dem Geist des multilateralen und regelbasierten Systems, lautet das Argument.

· Druck auf Bauern und Lebensmittelstandards

Die Agrarwirtschaft in Europa beäugt die Konkurrenz der Megafarmen Lateinamerikas skeptisch. Der österreichische Bauernbund befürchtet, dass die Landwirtschaft zum wiederholten Male für Vorteile in anderen Sektoren zahlen müsse. Der massenhafte Import von Fleisch, Zucker oder Ethanol, während gleichzeitig "tausende bäuerliche Familienbetriebe in Österreich ihre Höfe zusperren müssen", sei nicht im Interesse der Bevölkerung. Handelsgegner sorgen sich auch um die niedrigeren Lebensmittelstandards der Mercosur-Länder, etwa den massiven Einsatz von Pestiziden

· Schlecht für das Klima

Für Umweltschützer stellt das Abkommen eine ökologische Gefahr dar. Die europäischen Grünen sehen darin bloße Lippenbekenntnisse zum Klimaschutz. Mehr Handel würde in der Praxis zur schnelleren Abholzung des Regenwalds und somit zur Belastung des Klimas beitragen. (slp, 1.7.2019)