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Die sozialistische Partei von Premier Edi Rama hat gute Chancen, die Lokalwahl am Sonntag zu gewinnen. Doch das liegt vor allem daran, dass die Opposition den Urnengang boykottiert.

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Auf dem grünen Zettel, auf dem man die Partei ankreuzen kann, stehen zumeist Fraktionen, die den regierenden Sozialisten nahestehen.

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Viele fühlen sich an Wahlen in den kommunistischen 1980er Jahren erinnert.

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In der alten, gelb-rot bemalten Schule am Rande des Dorfes Grude im Norden Albaniens sitzen die Vertreter der Wahlkommission gerade vor offenen Pizzaschachteln. Über einen Schrank ist die rote albanische Flagge mit dem schwarzen Adler gelegt. Wähler sind keine zu sehen. Die Wahlzettel in den zwei Plastikboxen bedecken gerade den Boden. Viele sind hier also noch nicht aus den Häusern hinter den hohen Hecken herausgekommen, um sich an diesem heißen Sonntag am Demokratietest zu beteiligen.

170 Leute seien da gewesen, berichten die Wahlkommissare. Insgesamt wohnen in Grude 2500 Menschen. Die Wähler, die an diesem Sonntag in Albanien zur Lokalwahl gehen, wählen mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit die Sozialisten. Schon allein deshalb, weil die Opposition gar nicht angekreuzt werden kann. Es sind abstruse Wahlen, denn in vielen Gemeinden gibt es nur einen Namen auf der Liste der Bürgermeisterkandidaten. Hier im Wahlbezirk von Shkodra, der Hochburg der konservativen Demokraten, steht etwa nur der Sozialist Valdrin Pjetri auf dem gelben Zettel. Auf dem grünen Zettel, auf dem man die Partei ankreuzen kann, stehen immerhin sieben Fraktionen, doch alle stehen den regierenden Sozialisten nahe. Von der Opposition ist auch hier nichts zu sehen.

Keine legitime Wahl

Die Demokraten haben bereits vor zwei Jahren mit Wahlboykott gedroht, nun haben sie ihn durchgezogen. Sie behaupten, die Wahlen würden durch Stimmenkauf und Drohungen der Sozialisten gefälscht und seien nicht legitim.

In den Tagen vor den Wahlen haben im Norden in einigen Orten Anhänger der Opposition Wahlmaterial verbrannt und Wahllokale angegriffen. Deshalb wurde in Grude, ein paar Kilometer außerhalb von Shkodra, das Wahlmaterial am Samstag mit der Polizei in die Schule gebracht, dann wurde der Raum versiegelt, und Polizisten bewachten das Gebäude.

"Ich bin nicht wählen gegangen. Meine Eltern haben gesagt, ich soll dort nicht auftauchen", sagt Mariana Curri, die in der Mittagshitze durch das Dorf spaziert. Dabei wäre es sogar die erste Wahl für die 19-Jährige gewesen. Die Entscheidung der Demokraten, nicht an den Wahlen teilzunehmen, findet sie verständlich. Sie meint aber, dass viele Leute hier im Dorf mittlerweile das Vertrauen zu allen Parteien verloren hätten.

Curri hat Sorge, dass die Lage eskaliert. Offen ist etwa, ob die Bürgermeisterin von Shkodra, Voltana Ademi, zurücktreten wird und dem Sozialisten das Amt überlässt. Am Ende wird wohl der Verfassungsgerichtshof entscheiden müssen, ob diese Wahlen rechtmäßig waren oder nicht. Dieser ist im Moment allerdings nicht funktionstüchtig, weil noch zwei Richter ernannt werden müssen.

Erinnerung an Kommunismus

Wahlen sind in Albanien vor allem Loyalitätsbekundungen für bestimmte Parteien, von denen man Jobs in der Verwaltung bekommen hat. Wahlkommissionsleiter Paulin Gropaj kann sich noch erinnern, wie in Grude in kommunistischer Zeit gewählt wurde. "Da stellten sich die Leute in einer langen Schlange an und sangen patriotische Lieder", erzählt er. "Wer nicht zur Wahl ging, wurde ins Gefängnis geworfen."

Auch damals stand nur ein Kandidat auf der Liste. An diesem Sonntag fühlen sich viele an diese Zeit erinnert. In Korça banden sich Bürger rote Halstücher um und tanzten zu kommunistischen Songs, um sich über die Wahl lustig zu machen. In Durres betrat ein Wähler mit einer Kalaschnikow das Wahllokal und versuchte, die Wahlurnen zu entfernen.

Gestritten wurde am Sonntag aber über das eigentlich interessanteste Resultat: die magere Wahlbeteiligung. In dem Dorf Ngraçie landete sogar nur ein Wahlzettel in der Box. (Adelheid Wölfl aus Shkodra, 30.6.2019)