Ethik-Professor Martin Rhonheimer antwortet auf einen Gastkommentar des Wirtschaftswissenschafters Helmut Kramer.

Im Gastkommentar "Überholte Ideologien" bricht Helmut Kramer erfreulicherweise eine Lanze für den Sozialphilosophen und Ökonomen Friedrich A. von Hayek. Der Anlass dafür ist die heuer zum ersten Mal in Wien stattfindende Austrian Conference, auf welcher der umstrittene Historiker und Ökonom Tom Woods als Keynote-Speaker auftreten und den "Hayek Lifetime Achievement Award" erhalten wird, mit dem so renommierte Persönlichkeiten wie Mario Vargas Llosa, Niall Ferguson, Dambisa Moyo oder Deirdre McCloskey geehrt wurden. Mitorganisator der Konferenz ist das von Barbara Kolm geleitete Wiener Hayek-Institut.

Woods, wie auch ein anderer Keynote-Speaker, Robert P. Murphy, sind Vertreter der Österreichischen (Wiener) Schule der Nationalökonomie, allerdings in der radikalen, anarchokapitalistischen Variante. Sie fordern – für Hayek, aber auch Mises ein Gräuel – eine reine Marktgesellschaft ohne Staat, Hayek ist aus ihrer Sicht ein "sozialdemokratischer" Abweichler. Dazu kommt, dass Woods und Murphy Kreationisten, also fundamentalistische Gegner der – für Hayek zentralen – Evolutionstheorie sind. Woods unter Hayeks Namen zu ehren erscheint in der Tat widersinnig.

Erstaunlich ist jedoch: Kramer benutzt seinen Rundumschlag hauptsächlich dazu, um mich und das von mir mitbegründete und präsidierte, in Wien ansässige Austrian Institute of Economics and Social Philosophy zu diskreditieren – weshalb, das ist sein Geheimnis. Kolm, so behauptet er, stehe hinter der "Installation" dieses Instituts und "manage" es. Das ist faktenwidrig und frei erfunden. Zwischen dem von mir präsidierten Institut und den von Kolm geleiteten Instituten gibt es keinerlei personelle oder institutionelle Verbindung. Es ist erstaunlich, dass ein renommierter Wissenschafter so fahrlässig mit Fakten umgeht. Und das ist noch nicht alles.

Evolution und Klimawandel

In meinem Buch Homo sapiens: die Krone der Schöpfung (2016) und andernorts habe ich die Evolutionstheorie gegen ihre kreationistischen Gegner verteidigt – meine Nähe zu ihnen zu suggerieren ist abwegig. Zudem diskreditiert mich Kramer mit der Behauptung, ich bezweifle den Klimawandel und träte gegen wirksame Klimapolitik auf. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 7. 4. 2019 schrieb ich hingegen: "Den Klimawandel zu leugnen wäre Unsinn. Er ist eine offensichtliche Tatsache und eine der großen Herausforderungen für die Zukunft." Man müsse auf die Wissenschaft hören, aber durch die Vermengung von Politik und Wissenschaft würde das Ansehen Letzterer Schaden erleiden. Fixierung auf Worst-Case-Szenarien halte vom Denken ab (wobei ich mich auf den unverdächtigen schwedischen Wissenschafter Hans Rosling berufe). Gefragt seien "effizientere und weniger wohlstandsvernichtende, aber auch unspektakulärere, nämlich marktwirtschaftliche Wege der CO2-Reduktion" – gerade im Interesse der sich entwickelnden Länder. Statt meine – von namhaften Ökonomen geteilte – Sicht darzustellen, schmäht mich Kramer, "im Einklang mit Auffassungen, die bis Ibiza vom FPÖ-Obmann geäußert wurden", zu argumentieren. Für ein solches Foulspiel erhält man im Fußball einen Platzverweis.

Das von mir präsidierte Austrian Institute of Economics and Social Philosophy ist noch jung. Es setzt sich dafür ein zu zeigen, dass aus ökonomischen und ethischen Gründen marktwirtschaftliche Lösungen für wirtschaftliche und soziale Probleme staatlichen Lösungen in der Regel vorzuziehen sind. Wir orientieren uns am Geist der Österreichischen Schule, insbesondere an Mises und Hayek, ohne ideologische Engführungen und politischen Radikalismus. Wir sind überzeugt, in einer Gesellschaft, die bei jedem Problem immer sofort nach dem Staat ruft, den Menschen damit einen Dienst zu erweisen.

Martin Rhonheimer ist Professor für Ethik und politische Philosophie an der Päpstlichen Universität Santa Croce, Rom, sowie Gründungspräsident des Austrian Institute of Economics and Social Philosophy, Wien. (Martin Rhonheimer, 1.7.2019)