Man kann Carola Rackete als Kriminelle bezeichnen, weil sie unerlaubt in den Hafen von Lampedusa eingefahren ist. Man kann sie als Heldin sehen, weil sie Menschenleben rettet, auch wenn ihr nun eine langjährige Haftstrafe droht. Man kann sie auch einfach nur als Schiffsführerin betrachten, die ihrer Verpflichtung nachkommt, Menschen in Not zu helfen.

Gleichzeitig kann man Italiens Innenminister Matteo Salvini in dieser Causa als Bösewicht sehen, der für seine Abschottungspolitik über Leichen geht. Oder aber als Politiker, der das macht, wofür er gewählt wurde: die Flüchtlingsankünfte in Italien mit allen Mitteln zu reduzieren.

So oder so, eines wird dabei wieder sehr deutlich: Die Flüchtlingskrise im Mittelmeer bleibt ungelöst, auch wenn die Flüchtlingsankünfte 2018 drastisch gesunken sind. Denn es kamen immer noch fast 117.000 Menschen übers Mittelmeer, zudem ist die Todesrate laut UNHCR fast auf das Dreifache gestiegen. Die südeuropäischen Länder hatten also gute Gründe, vor zwei Wochen eine gerechtere Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU zu fordern.

Dem werden die anderen EU-Mitglieder wie in den Jahren zuvor nicht nachkommen. Das ist ein Versagen Europas. Die EU-Mittelmeerstaaten werden im Stich gelassen, genauso die Hilfsorganisationen und vor allem die Flüchtlinge. Rackete und auch Salvini ist zumindest zu verdanken, dass dieses Versagen wieder sichtbar wird. (Kim Son Hoang, 30.6.2019)