Wien – Print gewinnt den spätestens mit Heinz-Christian Straches Ibiza-Video offen geführten internen Machtkampf bei der "Krone": Richard Schmitt gibt die bisher sehr autonome Führung von "Krone.at" laut bisher unbestätigten STANDARD-Infos mit 1. Juli ab und soll sich künftig auf ein Streamingprojekt* der "Krone"* konzentrieren. Schmitt war der Motor des starken Onlinewachstums von "Krone.at" in den vergangenen Jahren.

Beurlaubt mit Ibiza-Gate

Schmitt kehrte aus einem Urlaub Mitte Mai lange nicht an den Schreibtisch zurück. Der Anlass: Wenige Tage nach Urlaubsantritt veröffentlichten "Spiegel" und "Süddeutsche Zeitung" das Ibiza-Video mit dem damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und dem damaligen FPÖ-Klubchef Johann Gudenus. Strache schlägt einer angeblichen russischen Oligarchennichte in dem im Sommer 2017 auf Ibiza heimlich aufgenommenen siebenstündigen Video vor, die "Krone" sowie einen ORF-Sender zu übernehmen und auf FPÖ-Linie zu bringen, um die Nationalratswahlen zu gewinnen.

"Zack, zack, zack"

Strache wollte "zack, zack, zack" eine Handvoll "Krone"-Journalisten hinauswerfen, drei, vier Vertrauensleute in Stellung bringen und FPÖ-freundlichen Nachwuchs aufbauen. In dem Video bezeichnet Strache Journalisten pauschal als "Huren". Er nennt jedoch auch als aus seiner Sicht positives Beispiel Richard Schmitt. Strache nennt ihn in dem Video wörtlich "einen der besten Leute, die es gibt" beziehungsweise "die die 'Krone' hat. Bei Schmitt sei "das Messer angesetzt worden von den anderen Parteien, weil er zu kritisch geschrieben hat", sagte Strache in der Finca.

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"Schau, wenn sie wirklich die Zeitung übernimmt ...": Strache im Ibiza-Video aus 2017.
Foto: SZ Spiegel Reuters

Oligarchen-Allergie

Die "Krone"-Führung reagierte auf die Übernahmeideen des gleich darauf zurückgetretenen FPÖ-Chefs denkbar allergisch. Vor allem, weil ein anderer, realer Investor gerade versucht, die "Kronen Zeitung" zu übernehmen: Immobilienmilliardär René Benko ist Ende 2018 in jene Holdingfirma eingestiegen, in der die deutsche Mediengruppe Funke ihre Anteile an der "Krone" und am "Kurier" geparkt hat. Mit einer Option, die kompletten 50 Prozent an der "Krone" und 49,44 Prozent am "Kurier" der Funke-Gruppe zu übernehmen.

Unabhängigkeit und Abwehrkampf

Schon vor "Ibiza-Gate" brachte die "Krone" in ihrem publizistischen Abwehrkampf gegen Benko die Unabhängigkeit der Berichterstattung und ihre Verteidigung in Stellung. Mit Straches Ibiza-Video schrieb die "Krone" in ihrem Titellogo "unabhängig" gleich noch viel größer. Und die FPÖ wurde wegen der fiktiven Übernahmewünsche ihres Langzeitvorsitzenden vielleicht auch als Anschauungsbeispiel für den realen Übernahmeinteressenten Benko durch Sonne und Mond geprügelt.

"Doppelspiel" mit Strache

Schmitt machte "Krone.at" nicht zuletzt im Pingpong-Spiel mit der FPÖ und vor allem Heinz-Christian Straches reichweitenriesiger Facebook-Seite groß. Im Interview mit dem Magazin "Fleisch" ** sprach er 2016 selbst von einem "Doppelspiel" mit Strache: "Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-Fache hoch. Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen. So ein Doppelspiel ist natürlich für die anderen Parteien gefährlich. Und auch da nicht falsch verstehen: Das könnten ÖVP und SPÖ natürlich auch machen. Sie machen es aber nicht."

"Doppelspiel" mit Strache: Richard Schmitt als "Krone.at"-Chefredakteur bei den Medientagen 2018.
Foto: APA / Hans Punz

Doppelspiel mit Kurz

Die gedruckte "Krone" war umso spielfreudig-begeisterter von ÖVP-Chef Sebastian Kurz – nur schlagartig getrübt von René Benkos Einstieg und dessen Nähe zu Kurz. Der hat inzwischen ähnlich (gewaltig) viele Follower auf Facebook wie Strache zu seinen besten Zeiten. Auch mit ihm würde sich ein Doppelspiel nun strategisch anbieten. Unter der Führung von Print-Chefredakteur Klaus Herrmann dürfte nun ein Online-Chef oder eine Online-Chefin für "Krone.at" installiert werden. Das "Brennpunkt"-Team der gedruckten "Krone", das offenbar informell eine Art Chef-vom-Dienst-Funktion beim Blattmachen übernommen hat, würde naheliegen. Ob es hier zum Zug kommt, ist offen bis fraglich.

"Brennpunkt" Schmitt

Richard Schmitt soll nun auf einen anderen "Brennpunkt" fokussieren: Er wird nach Angaben aus der "Krone" Projektleiter für eine Streamingplattform der Krone*. Schon bisher war Schmitt als Onlinechef nebenbei für das Bewegtbildangebot des Kleinformats mit zuständig, das – 2019 naturgemäß – eng mit dem Onlineauftritt verzahnt ist.

Bekanntestes Format von Krone.tv: "#brennpunkt".
Foto: Krone.tv Brennpunkt Screenshot

Wagner und Ibiza

Bei Krone.tv ist das bisher bekannteste Format "#brennpunkt" mit Katia Wagner. Originellerweise war der von Strache wegen des Ibiza-Videos angezeigte Wiener Anwalt M. Gesellschafter einer früheren Firma Wagners. Die Diskussionssendung ist zugleich die erste nicht werbliche TV-Produktion für Österreich auf einem RTL-Sender. RTL-Vermarkterin IP gehört in Österreich zur Hälfte der "Krone".

Seitenblicke und "Adabei"

Schmitt, nun nicht mehr für "Krone.at" zuständig und laut seinem Twitter-Profil auch seit einigen Wochen nicht mehr "Berater des 'Krone'-Herausgebers", wird sich wohl der Entwicklung weiterer Videoformate widmen. Die Nachfrage würde etwa einen Society-Talk von "Krone.TV" nahelegen. Nicht allein, weil "Adabei" eine der wichtigsten "Krone"-Standards ist.

"Brennpunkt"-Moderatorin Katia Wagner.
Foto: Screenshot krone.tv Brennpunkt

Gesellschaftersitzung vertagt

Wie kommt der Strategiewechsel bei den deutschen und Tiroler Mitgesellschaftern an, die autonom doch ziemlich erfolgreiche "Krone.at" der Print-Chefredaktion zu unterstellen? Eine "Krone"-Gesellschaftersitzung, die darüber Aufschluss geben könnte, wurde nun laut unbestätigten STANDARD-Infos neuerlich vertagt – auf August oder September.

Bei der Sitzung sollte es um noch viel Grundsätzlicheres gehen als die Online-Strategie: Die Funke-Gruppe (mit Benko an Bord) wollte neuerlich über die Entlassung Christoph Dichands als Herausgeber und Chefredakteur abstimmen. Die Funkes werfen Dichand vor, er habe nicht betriebsnotwendige Spesen dem Verlag verrechnet – die Dichands weisen das wie berichtet entschieden zurück.

Gerichtstermin am Mittwoch

Im März hat die Funke-Gruppe zum ersten Mal in einer Gesellschaftersitzung Christoph Dichands Entlassung als Herausgeber und Chefredakteur verlangt – und blieb damit in einer Pattstellung gegen die Hälfteeigentümer Dichand.

Ob Christoph Dichands 12,5 Prozent da mitstimmen konnten, soll nun das Handelsgericht Wien klären. Diesen Mittwoch ist die erste Verhandlung darüber angesetzt – in einem zweiten Verfahren der Funke-Gruppe vor dem Handelsgericht Wien soll es erst Ende August losgehen. Einmal gehen die Funkes gegen Dichands Funktion als Chefredakteur vor, im anderen gegen jene des Herausgebers.

Die Dichands argumentieren, solche Streitfragen der Eigentümer müsste laut Gesellschafterverträgen ein Schiedsgericht nach Schweizer Recht klären. Eines dieser Schiedsgericht grübelt gerade darüber, ob die Funke-Gruppe 30 Jahre nach dem Abschluss dieser Verträge mit den Dichands deren Ende der 1980er vereinbarten Vorrechte wie einen garantierten Gewinn kündigen konnten. Mit einer Entscheidung dieses Schiedsgerichts ist im Herbst zu rechnen.

Von dieser Entscheidung hängt auch ab, wem die "Krone" künftig gehört: Wenn die Vorrechte fallen, übernimmt laut Verträgen mit der Funke-Gruppe René Benko deren Anteile komplett. (Harald Fidler, 1.7.2019)