Ein Borkenkäfer auf dem Opfer seiner Wahl, einer Fichte.
Foto: APA/DPA/ROLAND WEIHRAUCH

Wien – Alljährlich sorgen Borkenkäfer verlässlich für zwei Dinge: Schlagzeilen und Schaden. Allein in Mitteleuropa gingen 2018 40 Millionen Kubikmeter Schadholz auf das Konto der gefräßigen Käfer, von denen es verschiedene Arten gibt.

Laut Peter Mayer, dem Leiter des Bundesforschungszentrums für Wald in Wien, entfielen davon 5,2 Millionen Kubikmeter auf Österreich. Damit wurde der Rekordwert des Jahres 2017 um fast die Hälfte übertroffen. Die höchsten Schäden weist Niederösterreich auf (3,3 Millionen Kubikmeter), besonders betroffen waren die Bezirke des Waldviertels. Aus Oberösterreich wurde knapp 1 Million Kubikmeter gemeldet, das entspricht ebenfalls annähernd der doppelten Schadensmenge.

Und die Aussichten für 2019 sind gar nicht gut: "Die Populationsdichten bei den Fichtenborkenkäfern, besonders dem Buchdrucker, aber auch bei Kiefernborkenkäfern sind in den Schadensgebieten extrem hoch", erklärt Mayer. "Der feucht-kühle Mai 2019 brachte nur vermeintlich eine Entspannung. Sehr hohe Temperaturen und Trockenheit im Juni 2019 begünstigen die Käferbruten und schwächen die Bäume weiter. Wie Beobachtungen aus den am schwersten betroffenen Regionen Wald- und Mühlviertel zeigen, wurden auch im Frühjahr 2019 sehr viele Bäume befallen. Wichtigste Maßnahme für die Waldbewirtschafter ist die rechtzeitige Entnahme dieser Bäume."

Obwohl sich die Insekten also zu einem bedeutsamen negativen Wirtschaftsfaktor entwickelt haben, sind sie nicht ausreichend erforscht. Wissenschafter fordern daher in einer im Fachjournal "Trends in Ecology and Evolution" veröffentlichten Studie genauere Untersuchungen zu Lebenszyklus und Populationsdynamik der Schädlinge.

Warum das Auf und Ab?

Massenausbrüche von Borkenkäfern dauern nach Angaben der Forscher meist einige Monate bis Jahre an, anschließend gehen die Populationen plötzlich wieder deutlich zurück. "Wir versuchen mit vielen aufwändigen Maßnahmen, unsere Wälder vor Borkenkäfern zu schützen. Doch was die starken Populationsschwankungen bei den Borkenkäfern eigentlich auslöst, darüber wissen wir sehr wenig", sagt der österreichische Biologe Peter Biedermann von der Universität Würzburg, Erstautor der Studie.

Für ihn ist es dringend notwendig, eine wissenschaftliche Basis zu schaffen, damit Forstwirtschaft und Politik künftig effizienter auf Ausbrüche von Borkenkäfern reagieren können. So müsste etwa geklärt werden, ob es ein praxistauglicher Ansatz sein kann, bei Massenvermehrungen einfach gar nicht einzugreifen, so Biedermann. Im Nationalpark Bayerischer Wald mit seinen natürlichen Wäldern habe man beobachtet, dass Borkenkäferpopulationen auch ohne Bekämpfung nach einigen Jahren zusammengebrochen sind.

Auch der Klimawandel macht nach Ansicht der Forscher ein vertieftes Wissen über den Lebenszyklus speziell der Fichtenborkenkäfer nötig. Denn Klimaextreme wie zunehmend trockene und heiße Sommer würden die Wirtschaftswälder weiter schwächen. Als weitere Einflussfaktoren auf die Populationsgröße nennen die Wissenschafter natürliche Feinde, Krankheitserreger, die Konkurrenz innerhalb der eigenen Art sowie mit anderen Arten, Landschaftsstrukturen, der Baumbestand, die Widerstandsfähigkeit der bevorzugten Wirtsbäume, Temperatur und Niederschlag. Welche Rolle diese für die Populationsdynamik von Waldinsekten spielen, sei allerdings weitgehend unbekannt.

Lücken schließen

Angesichts dieses Mangels an Wissen schlagen die Autoren vor, die weltweit vorhandenen Daten zu bündeln, Wissenslücken zur Populationsdynamik des Fichtenborkenkäfers und anderer Waldinsekten zu identifizieren und auf dieser Grundlage zentrale offene Fragen zum Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren durch neue Datenerhebungen zu beantworten. In einem zweiten Schritt müssten Erkenntnisse daraus in experimentellen Feldstudien getestet werden, um Handlungsempfehlungen abzuleiten. (red, APA, 1. 7. 2019)