Der iranische Vizeaußenminister Abbas Araqchi erklärte nach Abschluss der Gespräche, die Angebote der Europäer zur Rettung des Atomabkommens seien nicht ausreichend gewesen.

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Genf/Dubai – Der Iran hat seine Drohung wahr gemacht und in einem wesentlichen Punkt gegen das internationale Atomabkommen verstoßen. Das Land verfügt mittlerweile über mehr niedrig angereichertes Uran als in dem Vertrag erlaubt. Zudem drohte Außenminister Mohammed Jawad Zarif am Montag damit, Uran demnächst auch höher anzureichern als sein Land dies gemäß dem Abkommen darf.

Der britische Außenminister Jeremy Hunt äußerte sich "tief besorgt". Er rief den Iran dazu auf, sich nicht noch weiter von der Vereinbarung zu entfernen und diese stattdessen wieder einzuhalten. Das 2015 mühsam erzielte Abkommen soll verhindern, dass der Iran an Atomwaffen gelangt. Es steht auf der Kippe, seit die USA es vergangenes Jahr einseitig aufkündigten und in der Folge wieder Sanktionen gegen den Iran verhängten.

Über 300 Kilogramm

Zarif teilte mit, die Menge von niedrig angereichertem Uran im Besitz des Landes liege nun bei mehr als den erlaubten 300 Kilogramm. Die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) bestätigte, dass der Iran die vereinbarte Grenze überschritten habe. Wenig später legte Zarif nach.

Sollte es den europäischen Vertragsstaaten nicht gelingen, das Atomabkommen zu retten, werde sein Land als nächstes Uran leicht über den erlaubten Grad von 3,67 Prozent hinaus anreichern, sagte er laut einem Bericht des staatlichen iranischen Rundfunksenders Irib. Waffenfähiges Uran muss bis auf etwa 90 Prozent angereichert sein. Vor Abschluss des Atomabkommens hatte es der Iran bis auf 20 Prozent geschafft.

Der Iran hatte in den vergangenen Tagen wiederholt angekündigt, Verpflichtungen aus dem Atomabkommen nicht mehr einzuhalten und die Uran-Vorratsgrenze zu überschreiten, falls die Europäer ihm nicht wie versprochen dabei helfen, Folgen der US-Sanktionen abzufedern. "Wir waren sehr transparent bei dem, was wir tun würden", sagte Sarif. In den vergangenen Wochen spitzte sich die Lage nach einer Verschärfung der US-Sanktionen dramatisch zu. Es kam zu mehreren Zwischenfällen im Golf, die die Angst vor einem Krieg zwischen den USA und dem Iran schürten. Die Krise gipfelte darin, dass die USA in letzter Minute einen Luftangriff gegen den Iran abbliesen.

"Nukleare Erpressung"

Der Iran hatte erklärt, grundsätzlich wolle er sich an die Vorgaben des Atomabkommens halten, könne dies aber angesichts der US-Sanktionen nicht ewig tun. Die amerikanischen Strafmaßnahmen richten sich insbesondere gegen Irans Öl- und Finanzsektor. Sie setzen dem Land wirtschaftlich massiv zu. Der Iran spricht von einem Wirtschaftskrieg gegen seine Bevölkerung.

Die Europäer, die das Abkommen bewahren wollen, stellten dem Iran Unterstützung in Aussicht. Doch nach Angaben des Iran blieb es im wesentlichen bei Lippenbekenntnissen. Er setzte deshalb Anfang Mai den europäischen Vertragspartnern, zu denen neben Großbritannien auch Deutschland und Frankreich zählen, eine 60-tägige Frist, innerhalb der sie Maßnahmen ergreifen sollten, mit denen die für den Iran negativen Folgen aufgefangen werden sollen.

Die britische Regierung erklärte, sie prüfe derzeit mit ihren Partnern, wie man als nächstes vorgehen werde. Außenminister Hunt sagte, Großbritannien stehe weiter zu dem Vertrag. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, sein Land werde es nicht zulassen, dass der Iran eine Atombombe entwickle. Er forderte die Europäer auf, "automatische Sanktionen" gegen den Iran zu verhängen. Israels Energieminister Juwal Steinitz sprach von einem unverhohlenen Verstoß gegen das Atomabkommen. "Der Iran betreibt nukleare Erpressung", sagte er dem Radiosender Kan. (Reuters, 1.7.2019)