Oft täuscht die pittoreske Ästhetik von Fotografie über die Zerstörung des Planeten hinweg. Die Installationen des Badener Festivals La Gacilly laden zum Dialog von Kunst und Umwelt.

Foto: Gregor Auenhammer

2500 Tableaus zum Thema Nachhaltigkeit schmücken eine knapp sieben Kilometer langen Parcours.

Foto: Gregor Auenhammer

Auch richtig große Formate sind zu sehen.

Foto: Gregor Auenhammer

Überraschende Aussichten und Einblicke können hinter jeder Ecke lauern.

Foto: Gregor Auenhammer

"Die Natur passt sich ebenso gut unserer Schwäche wie unserer Stärke an", meinte einst Henry David Thoreau (1817-1862). Der Schriftsteller lebte jahrelang als Eremit in den unberührten Wäldern von Massachusetts. Schon damals, Mitte des 19. Jahrhunderts kam er zur Erkenntnis, dass der Mensch umso reicher ist, je mehr Dinge er hinter sich lassen kann. Heute, in einer Ära schnelllebiger Reizüberflutung, sehnt man sich nach Ursprünglichem, strebt nach Authentizität. "Raus in die Natur" lautet denn auch der Ruf, der unsereins dieser Tage immer öfter ereilt. Sobald die Temperaturen steigen und Sonnenlicht die Lebensgeister erweckt, sucht man vermehrt das persönliche Paradies. Soweit die Theorie.

Mit der oft bitteren Realität wird man – absolut unerwartet – in Baden bei Wien konfrontiert. Das Festival La Gacilly Baden Photo bespielt mit 2500, zum großen Teil überdimensionalen Tableaus zum Thema Nachhaltigkeit auf einem knapp sieben Kilometer langen Foto-Parcours die sonst eher verschlafene Barockstadt und die in den Wienerwald mündenden historischen Parkanlagen. Melancholisch folgt man der Faszination verborgener Schönheiten. Die vor Jahren von André Heller formulierte Warnung "Mißtrauet der Idylle!" wird luzid, wenn man die auf den ersten Blick "schön" anmutenden Bilder unseres Planeten betrachtet – erst Widerhaken und Details verraten Zerstörung, Verwüstung und Klimawandel.

Unerwartete als Prämisse

Festivaldirektor Lois Lammerhuber und das Kuratorenduo Florence & Cyril Drouhet nennen drei Säulen als Impetus der im öffentlichen Raum stattfindenden Ausstellung: Ästhetik, Emotion und Humanismus. "Die Verantwortung jedes einzelnen Menschen für den Planeten Erde sowie Demut vor dem Glück des Hier und Jetzt stehen Pate." Spannend der Dialog, der sich durch die Accrochage an Wänden und Fassaden, hinter Wäldern, inmitten von Lichtungen, im Seerosenteich des Rosariums oder vor 100 Jahre alten Platanen ergibt. Kontrast und Dialog, aktiv interaktiv. Das Unerwartbare ist hier nicht Option, sondern Prämisse. Zum Staunen und Nachdenken regen die Serien von Olaf Otto Becker und Phil Hatcher-Moore an, zum Wundern die karg-archaischen Schwarz-Weiß-Fotos des russischen Freskenmalers Emil Gataulin. Einklang mit der Natur vermittelt Altmeister William Albert Allard.

Das Gegenteil will die Riege junger Provokateurinnen des Kollektivs Images Sans Frontière vermitteln: Irritation, Engagement und Umkehr Richtung Nachhaltigkeit. In dieselbe Kerbe schlägt Matjaz Krivic‘ Arbeit über Lithium und Alkalimetalle in unser aller Alltag.

Grandios auch die sphärischen Monumentalbilder von Cooper & Gorfer, von Karen Knorr, von Jan Schlegel sowie die surrealen Welten von Shana & Robert Parkeharrison. Einen Blick aus dem All – passend zum Jubiläum der Mondlandung – bietet Thomas Pesquet. Sensationell auch die Ikonen von World Press Photo. "Gib mir eine Wildheit, die von keiner Zivilisation ertragen werden kann", schrieb Thoreau. Bemerkenswert, wie bei diesem Diskurs die Balance von Betroffenheit und positivem Staunen gelingt. (Gregor Auenhammer, 1.7.2019)