Ein Richter muss sich mit der Frage beschäftigen, ob der 72-Jährige religiöse Gefühle verletzt hat. (Archivbild)

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Wien – Ein 72-jähriger muslimischer Aktivist aus Bangladesch hat sich am Montag wegen Herabwürdigung religiöser Lehren vor Gericht verantworten müssen, weil er aus Wut in einem auf Facebook veröffentlichten Video den Koran zerrissen und die Seiten das Klo runtergespült hatte. Der Beitrag wurde am 17. April 2019 veröffentlicht und hatte zahlreiche erboste Reaktionen und eine Anzeige zur Folge.

Der 72-Jährige, der sich nicht schuldig bekannte, hatte in dem rund 30-minütigen Video seinen Unmut über den politischen Islam geäußert. Dabei zerriss er unter wüsten Beschimpfungen die Schriften, einige Seiten warf er in die Toilette, den Rest zertrampelte er mit seinen Flipflops. Er sei über Geschichten aus seiner Heimat erbost gewesen, wo ein Mädchen vergewaltigt wurde, eine Anzeige machte und deshalb angezündet wurde. "Die Geschäfte, die im Namen der Religionen gemacht werden", hätten ihn verärgert.

Personenschutz

Die Szene, die rund eineinhalb Minuten dauert, wurde dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz (LVT) übermittelt. Der Mann aus Bangladesh erhielt sogar einige Zeit Personenschutz.

Der Beschuldigte ist nicht nur als Friedensaktivist, sondern auch als Journalist und Schauspieler tätig, wie seine Anwältin Alexia Stuefer darlegte. Das Video entspreche deshalb der Meinungs- und Kunstfreiheit. "Er wollte keine religiösen Gefühle verletzen, sondern diesen abscheulichen Praktiken entgegenwirken", sagte Stuefer. "Das Video war ein Ausbruch von 1.000 Jahren Wut", sagte der bisher unbescholtene Angeklagte. Der Mann veröffentlicht öfter seine Meinungen in sozialen Netzwerken. "Meine Videos sind aber sanft, nicht verhetzend."

Der Kurzfilm vom April wurde allerdings 129.000 Mal aufgerufen, vor allem im Bangladesch, machte Richter Stefan Romstorfer aufmerksam. "Ich verstehe, dass sich Leute dadurch angegriffen fühlten, aber das wollte ich nicht", meinte der Beschuldigte. "Es ist auch mein heiliges Buch", verwies der Angeklagte auf seine eigene Religion. Der Sinn des Videos sei gewesen, dass für diese Vergewaltigungen und Tötungen nicht der Koran als Rechtfertigung herangezogen werden könne. Das habe er in dem Video auch erklärt. Er habe dafür auch viel Zuspruch erhalten.

Nachdem nur die eineinhalb Minuten des Videos aus dem Bengalischen übersetzt wurden, aber nicht der gesamte Inhalt in der Länge von einer halben Stunde, wurde der Prozess auf August vertagt. Richter Romstorfer will sich von dem gesamten Film ein Bild machen. (APA, 1.7.2019)