Bern – Will man über die paar Jahrzehnte, seit denen es systematische Messungen von Erdbeben gibt, weiter in die seismische Vergangenheit zurückblicken, muss man auf andere Archive zurückgreifen: auf historische Aufzeichnungen – so vorhanden – und noch besser auf "natürliche Erdbebenarchive". Ein solches haben nun Forscher der Universität Bern in der Schweiz entdeckt, nämlich auf dem Grimselpass zwischen dem Berner Oberland und dem Oberwallis.

Erdbeben hinterlassen im Gestein eine Art fossilen Fingerabdruck, aus dem Geologen Jahrtausende alte seismische Aktivitäten ablesen können. Solche Erdbebenarchive sind sehr wertvoll für die Forschung, weil sie das Bild für das Erdbebenrisiko eines Gebiets ergänzen: Insbesondere Starkbeben, die mit Abständen von hunderten bis tausenden von Jahren auftreten, können dank solcher Archive im Gestein besser vorhergesagt werden.

Der Mechanismus

Der fossile Fingerabdruck vergangener Beben beruht auf der Ablagerung charakteristischer Gesteinskügelchen, berichten Alfons Berger und Marco Herwegh im Fachblatt "Scientific Reports". Diese entstehen, wenn sich bei einem Erdbeben Risse in der oberen Erdkruste bilden, durch die blitzschnell heißes Wasser aufsteigt. Dieses löst Fragmente aus dem Gestein, die in Folge einer physikalisch-chemischen Ausfällung beim Druckabbau des heißen Wassers von einer dünnen Quarzschicht ummantelt werden. Die so entstandenen Kügelchen sinken nach einem Erdbeben zu Boden und werden dort gleichsam einzementiert.

"Aus der Größe der Gesteinskügelchen können wir die Geschwindigkeit des Wasserstroms berechnen und aus der Dicke der angelagerten Schichten die Wassermenge sowie die Größe des Erdbebenrisses", sagt Herwegh. Aus Letzterer könne man wiederum auf die Erbebenstärke schließen.

Mögliche Aufschlüsse

Das nun entdeckte Erdbebenarchiv liegt in einer hydrothermal aktiven Zone und ist rund drei Millionen Jahre alt. Es stamme somit aus einer Zeit, als das Grimselgebiet noch in einer Tiefe von zwei bis drei Kilometern versenkt war, berichtet die Uni Bern.

Wie auch heute noch war das Gebiet damals von Hebungsbewegungen geprägt, allerdings dürfte die Seismizität schon damals ähnlich schwach gewesen sein wie heute in der Tiefe. Von Menschen werden solch schwachen Erschütterungen nicht wahrgenommen, obwohl sie tagtäglich in den Schweizer Alpen vorkommen.

"Wenn wir die Erdbebenvergangenheit besser verstehen, können wir auch deren Zukunft besser prognostizieren", so Herwegh. Zudem können Erkenntnisse über das Fließverhalten des heißen Wassers im Untergrund wichtige Grundlagen für Anwendungen – beispielsweise für die Geothermie – liefern. (APA, red, 2. 7. 2019)