Sebastian Kurz muss sich mit Mutmaßungen künftig zurückhalten. Er darf nicht mehr behaupten, die SPÖ sei an der Herstellung oder Verbreitung des Ibiza-Videos beteiligt gewesen. Der Ex-Kanzler hatte in Interviews mehrfach betont, er vermute die Sozialdemokraten hinter der Falle, die dem ehemaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache das Amt kostete. Beweise konnte Kurz nie vorlegen. Nun hat das Wiener Handelsgericht ein Machtwort gesprochen: Einem Antrag auf einstweilige Verfügung der SPÖ wurde im Wesentlichen stattgegeben.

Was der "Krone"-Leser denkt

Vor allem den früheren SPÖ-Berater Tal Silberstein nannte Kurz laufend im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre. Der Spezialist für schmutzige Wahlkämpfe hatte bereits selbst erklärt, dass Kurz damit Unwahrheiten verbreite. Derart "kreditschädigende Behauptungen" wurden dem ÖVP-Chef nun für die Zukunft untersagt. "Mit der einstweiligen Verfügung haben wir uns gegen das Kurz'sche Dreckwerfen und die türkisen Schmutzkübel erfolgreich zur Wehr gesetzt", sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. Erst vergangenen Samstag hatte Kurz im Radio auf Ö1 wiederholt, dass er die Verantwortung für das Ibiza-Video im Umfeld der SPÖ vermute.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist erfolgreich gegen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz vorgegangen.
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Im Schreiben des Handelsgerichts, das dem STANDARD vorliegt, wird das juristische Vorgehen damit begründet, dass der "unbefangene Durchschnittsadressat (z. B. Leser der Kronen Zeitung)" den inkriminierten Äußerungen von Kurz entnehme, dass die SPÖ an der Ibiza-Affäre beteiligt war. Schließlich habe er immer wieder die Verbindung hergestellt, dass er aus dem vergangenen Wahlkampf ja noch wisse, "zu welchen Methoden die Sozialdemokratie mit Silberstein bereit war". Diese Andeutungen muss Kurz künftig unterlassen.

Außergerichtliche Einigung

Außergerichtlich einigen konnte sich Kurz hingegen mit dem als SPÖ-nahe geltenden Rechtsanwalt Gabriel Lansky. Denn auch den hatte der Altkanzler in Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre gebracht – auch Lansky wollte sich dagegen wehren. Von einer Klage sieht er nun aber ab, wie er am Montag mitteilte. Er habe am Sonntag ein ausführliches Gespräch mit Kurz geführt, nach dem dieser zugesagt habe, die entsprechende "Aussage nicht mehr zu wiederholen", schreibt Lansky in einem Pressestatement.

Auch der Anwalt Gabriel Lansky hatte eine Klage gegen Kurz angedroht – dann kam es aber zu einer Aussprache.
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Konkret hatte Kurz behauptet, Lansky befinde sich im Dunstkreis Ibizas, da es sich bei jenem Rechtsanwalt, gegen den wegen des Videos Ermittlungen laufen, um einen seiner ehemaligen Konzipienten handelt. Lansky habe Kurz am Sonntag dann aber erklärt, dass dieser inzwischen "seit über 15 Jahren nicht mehr in unserer Kanzlei tätig ist". Er betont auch noch einmal, dass weder er noch seine Kanzlei etwas "mit Herstellung und Verkauf dieser Videos" zu tun hätten.

Reden und Gräben schließen

Kurz habe diese Erläuterungen für nachvollziehbar erachtet. Daraufhin konnten sich die beiden einigen, dass Lansky von rechtlichen Schritten nun doch Abstand nimmt. Mehr hätte er durch eine Klage auch nicht erreichen können, sagt Lansky. "Ich bin überzeugt davon, dass es ein Zeichen demokratischer Diskursqualität ist, wenn Spitzenpolitiker den Weg zum Gespräch suchen und eröffnete Gräben wieder zu schließen in der Lage sind."

Die Ibiza-Affäre beschäftigt dennoch weiterhin Ermittlungsbehörden in Deutschland und Österreich. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft prüft die von Strache und Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus im Video getätigten Aussagen auf ihre strafrechtliche Relevanz. Außerdem geht sie den Vorwürfen nach, die Strache im Video in den Raum gestellt hatte: Personen oder Firmen hätten vor der Wahl 2017 beträchtliche Geldsummen an FPÖ-nahe gemeinnützige Vereine gespendet. Auch gegen den FPÖ-Mandatar Markus Tschank wird wegen Untreue ermittelt.

Straches Anzeigen

Die Staatsanwaltschaft Wien widmet sich den Hintergründen der Erstellung des Ibiza-Videos. Strache selbst hat drei Personen angezeigt: einen Wiener Anwalt, den Detektiv Julian H. sowie den unbekannten Lockvogel, die "Oligarchennichte". Bei der Staatsanwaltschaft München I und der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat Strache ebenfalls Anzeigen eingebracht. (Katharina Mittelstaedt, 1.7.2019)