Draußen der Garten, drinnen die Kunst: Konzeptkünstlerin Nora Schulz lässt sich auch in ihrer Wiener Ausstellung in der Secession immer gern eine Tür offen.

Foto: Iris Ranzinger

An der Ernsthaftigkeit, mit der die Künstlerin an die Welt und ihre Wahrnehmung herangeht, lässt die Ausstellung keinen Zweifel. Humor, Leichtigkeit und Verspieltheit kommen aber auch nicht zu kurz.

Foto: Iris Ranzinger

Die Tür zum Garten ist offen. Man hört den Lärm vom Straßenverkehr und jener von den Renovierungsarbeiten an der Akademie am Schillerplatz. Es ist laut, fast zu laut, um die Soundinstallation zu hören, die ebenfalls Teil der Ausstellung von Nora Schultz ist.

In der Arbeit der deutschen Konzeptkünstlerin (1975 geb. Frankfurt) waren die Spezifika des Ausstellungsraums immer wieder ein wichtiger Ausgangspunkt. Dieses Mal kam jedoch verschärfend hinzu, dass sie das "Proposal" für die Präsentation nicht vor Ort in Wien, sondern wegen eines laufenden Green Card-Verfahrens in Boston, wo sie lebt, schrieb.

An der für die Secession typischen Oberlichtkonstruktion kam die Künstlerin aber auch dort nicht vorbei: Immerhin dient die Struktur der geöffneten Glasdecke in der Ausstellung Would you say this is the day? als Halterung für drei riesige, fragile Skulpturen aus Aluminiumdraht, die vom Boden hinauf bis zur Decke reichen. Betritt man die Secession nimmt man sie zunächst als abstrakte Gebilde wahr, die den Blick auf die Dachkonstruktion und das dort Abgestellte eröffnen. Beim näheren Hinsehen bemerkt man jedoch, dass es sich um Figuren handelt, oder genauer: um eine "Verräumlichung" von Zeichnungen, mit denen sich Nora Schultz auf die Marmorstatuen "Atlas" und "Der Tag" von Michelangelo bezieht.

Summende Klimaanlage

Während die Originale als Prototypen skulpturaler Kunst gelten, wirken die Schultz’schen Versionen leicht deplatziert – wie Comicfiguren in einer Welt, wo eigentlich eine andere Ästhetik regiert. Ähnliches gilt für ein groß tapeziertes Kalenderblatt: Schultz hat das bemalte Blatt gefunden, eingescannt und der zeitlichen Ordnung noch eine räumliche hinzugefügt.

Die Künstlerin, die seit 2015 Assistenzprofessorin für Visual and Environmental Studies an der Harvard University ist, bedient sich immer wieder solcher Aufzeichnungs- und Ordnungssysteme – allerdings nur, um sie dann zu verschieben. Zugunsten von Perspektivenwechsel hat sie bereits Drohnenkameras eingesetzt; die ausgestellten Videos Whale Watch und Simulated Whale Watch wurden jedoch mit einer sogenannten GoPro, einer Action Kamera, aufgenommen. Einziger Nachteil: Man schaut beim Filmen nicht nur die Linse, wodurch das Gefilmte – das führt ihre Trocken-Simulation einer "Walsichtung" im Atelier sehr schön vor Augen – gleich noch viel schwindelerregender wird.

An der Ernsthaftigkeit, mit der die Künstlerin an die Welt und ihre Wahrnehmung herangeht, lässt die Ausstellung keinen Zweifel. Humor, Leichtigkeit und Verspieltheit kommen aber auch nicht zu kurz. Davon erzählt nicht zuletzt ihre Soundinstallation: Es handelt sich um Aufnahmen des konstanten Summens ihrer Klimaanlage in Boston, ein Nebengeräusch, das uns in Zukunft wohl noch öfter begleiten wird. (Christa Benzer, 3.7.2019)