Eineinhalb Monate ist es nun her, dass Sebastian Kurz die Koalition mit der FPÖ aufgelöst und damit im Parlament das freie Spiel der Kräfte eröffnet hat. Im Nationalrat erleben wir diese Woche die ersten Folgen des koalitionsfreien Raumes.

Einige Gesetze sind natürlich dem Wahlkampf geschuldet, der immer Populismus befördert. Die Absicherung der Wasserversorgung in der Verfassung fällt etwa in diese Kategorie. Nötig war der Beschluss nicht, ein Schaden entsteht dadurch aber auch nicht wirklich. Auch die von ÖVP, FPÖ und Neos gewünschte Schuldenbremse in der Verfassung (die wohl im Bundesrat scheitern wird) ist nicht viel mehr als Symbolpolitik, denn an die Budgetvorgaben der EU muss sich Österreich auch jetzt schon halten.

Problematischer ist das Glyphosatverbot. Es ist zwar populär, da es aber eine EU-weite Zulassung für das Pflanzenschutzmittel bis 2022 gibt, ist ein Einschreiten Brüssels wahrscheinlich. Die SPÖ muss sich hier den Vorwurf gefallen lassen, dass sie mit Blick auf die eigene Zielgruppe eine Europarechtswidrigkeit riskiert. Sie wählt also die gleiche Vorgangsweise, die sie Türkis-Blau bei der Indexierung der Familienbeihilfe vorgeworfen hat. Im Zweifelsfall wird eine gut klingende Lösung einer rechtlich sauberen vorgezogen.

ÖVP und FPÖ wiederum begeben sich bei der Erhöhung der Mindestpensionen für Langzeitversicherte auf dünnes Eis. Bedenken des Sozialministeriums, wonach nun auch EU-Bürger, die nur kurz in Österreich gearbeitet haben, davon profitieren und eine Kostenexplosion verursachen könnten, werden einfach vom Tisch gewischt. Damit darf sich dann die nächste Regierung beschäftigen.

Auch der Neuregelung der Parteienfinanzierung, auf die sich SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt verständigt haben, hätte etwas längeres Nachdenken nicht geschadet. Schließlich können die Parteikassen auch in Zukunft nicht ordentlich vom Rechnungshof durchleuchtet werden. Der Wunsch, der ÖVP zu schaden, war offensichtlich größer als das Interesse an einer wirklichen Verbesserung.

Knapp drei Monate vor der Wahl lässt sich also sagen: Das Parlament wurde lebendiger, und um ihre Anliegen durchzubringen, sind die Parteien bereit, auch ungewöhnliche Allianzen zu schließen. Die Qualität der Gesetze ist dadurch aber nicht gestiegen. Und immerhin gibt es ab November ein Rauchverbot in der Gastronomie. Willkommen im 21. Jahrhundert. (Günther Oswald, 2.7.2019)