Im Gastkommentar lobt Friedhelm Frischenschlager, ein ehemaliger, den aktuellen Verteidigungsminister Thomas Starlinger. Die Übergangsregierung könne zwar keine großen Sprünge machen, aber den Zustand der Sicherheitspolitik schonungslos erheben. Einen weiteren Gastbeitrag zur Luftraumüberwachung gibt es von Thomas Nowotny.

Unter dem Titel "Verheerende Politik" wirft Nina Weißensteiner im STANDARD den Parteien "wenn es ums marode Militär geht ... billigen Populismus" vor und kritisiert zu Recht die wütenden Reaktionen aus den Reihen der ehemaligen Kurz-Regierung auf die medial mächtig aufschlagenden Sparaktionen von Verteidigungsminister Thomas Starlinger. Sicherheitspolitisch geht es dabei um Nebensächliches. Die Aufregung erinnert stark an die seinerzeitige wegen Einsparungsversuchen bei der Militärmusik.

Jetzt wollte der Minister doch glatt das Prestigeobjekt seines Vorgängers stoppen, die "Sicherheitsschule", eigentlich eine HAK, deren Sinnhaftigkeit von Finanzministerium und Bildungsfachleuten bezweifelt wird, aber das Heeresbudget mit 30 Millionen Euro Errichtungs- und jährlich einer Million Euro Betriebskosten belastet. Dann wagte er, die "Leistungsschau" am 26. 10. und die jährliche Parade anlässlich der Ausmusterung der Leutnante in Wiener Neustadt aus Geldmangel zu streichen. Damit zieht Starlinger allerdings einen Paravent weg, hinter dem sich vor Bürgerinnen und Bürgern jeden Alters im Hochgefühl des Nationalfeiertags die miserable Bundesheer-Realität verstecken lässt.

Leistungsschau 2018 mit einem Black Hawk auf dem Wiener Heldenplatz.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Ein Schmierentheater

"Das geht gar nicht, was fällt dem Übergangsminister ein", empören sich ÖVP und FPÖ. Ein paar Gespräche mit dem Finanzminister, und alles hat so abzulaufen wie von ihnen geplant. Wären da nicht noch einige peinliche Fragen: Wie kann es sein, dass eine kostspielige "Sicherheitsschule" oder eine "Leistungsschau" längst beschlossen waren, aber jetzt dafür das Geld ausgeht? Und wie kann es zur Pleitewarnung des Ministers kommen, weil für die Personalkosten des laufenden Budgetjahres (!) 47 Millionen Euro fehlen, Auslandseinsätze nicht mehr finanzierbar wären? Was war denn das für eine Budgetpolitik der hochgelobten Regierung Kurz?

Doch kommen wir zu grundsätzlicheren Lehren aus diesem sicherheitspolitischen Schmierentheater: Dem unter ÖVP- und FPÖ-Beschuss stehenden Verteidigungsminister sind wir zu Dank verpflichtet, weil er nicht bereit ist, eine falsch laufende Sicherheitspolitik weiterhin zu decken. Wenn er nun dem Druck von ÖVP, FPÖ und auch SPÖ nachgeben musste, hat er mit der Absage der "Leistungsschau" dennoch den Potemkin'schen Charakter derartiger Inszenierungen und das Desaster der Kurz-Regierung offenbart: Was hat sie dem Bundesheer nicht alles versprochen, um es dann noch weiter auszuhungern – 0,55 Prozent des BIP für das Bundesheerbudget! Schon in ihrem Regierungsprogramm mit der Betonung von "Landesverteidigung" hat sie den politischen Rückwärtsgang eingelegt, als hätte es weder das Jahr 1989 noch den EU-Beitritt gegeben. Es ist ein Segen, dass dieses Programm keine volle Legislaturperiode weiterläuft!

"Weißbuch" für Sicherheitspolitik

Das Scheitern der Kurz-Regierung hat uns eine Übergangsregierung beschert, die nicht unter dem Druck des Schemas Regierung/ Opposition, von Marketing- und Wahlkampferfolgen, persönlichen Wiederwahlchancen oder parteiinternen Befindlichkeiten steht. Sie kann keine großen Sprünge machen, aber eines kann sie: den Zustand der einzelnen Politikfelder schonungslos erheben. Beim Bundesheer etwa dessen Leistungsfähigkeit, gemessen an heutigen Erfordernissen, und welche Alternativen zum gegenwärtigen Betrieb es gibt. In der EU nennt man das Erstellung eines "Weißbuchs" als Basis für folgende Diskussion und Entscheidung.

Bei uns ginge es vor allem um das Überwinden der Diskussionsverweigerung zu den Grundlinien unserer Sicherheitspolitik nach 1989. Und die Diskussion müsste ernster geführt werden als jene zur Sicherheitsstrategie 2013, die knapp vor den Nationalratswahlen beschlossen wurde, nur um noch einen Programmpunkt der damaligen SPÖ-ÖVP-Koalition möglichst ohne Aufregung und politisch-budgetäre Konsequenzen abhaken zu können.

Kapazitäten in EU bündeln

Österreichs Sicherheitspolitik ergibt heute nur im europäischen Kontext Sinn. Es geht um eine Bündelung der militärischen Kapazitäten Europas, nicht um eine Militarisierung der EU, nicht um eine Aufrüstung und nicht um schlicht mehr Geld. Sondern darum, dass aus den Mitteln für 27 nationale Armeen ein Mehr an gemeinsamer Verteidigung im Interesse aller entsteht. Auch wir profitieren davon, und daher muss auch Österreich einen Beitrag dazu leisten. In unserem Fall wird das allerdings nicht weniger, sondern mehr finanzielle Mittel erfordern, aber für ein sinnvolles Sicherheitskonzept.

Der von Minister Starlinger angekündigte Bundesheerzustandsbericht kann die Entscheidungsgrundlage für eine wie auch immer zusammengesetzte neue Regierung, das nächste Parlament und vor allem für die Öffentlichkeit bilden. Das notwendige Ziel ist eine zukunftsorientierte Sicherheitspolitik statt einer, bei der das Übertünchen einer desaströsen Bundesheerrealität mit viel Tamtam unter Militärmusikbegleitung und Feiertagsreden im Vordergrund zu stehen scheint.

Herr Bundesminister, lassen Sie sich nicht einschüchtern. Sie können die Chance zum Start einer neuen, sinnvollen österreichischen Sicherheitspolitik bieten – es wäre ein großartiger Erfolg der Übergangsregierung! (Friedhelm Frischenschlager, 2.7.2019)