Mit einem Teleskop kann man sie vielleicht erkennen: mähdrescherartige Maschinen, die auf der Mondoberfläche ihre Bahnen ziehen. Die Roboter ernten Helium-3, das sich dank Sonnenwinds im Mondstaub anreichert. Das Element wird, zu Pellets verdichtet, von starken Magneten einer Railgun Richtung Erde geschleudert, im Orbit aufgefangen und von Raumfähren auf die Oberfläche transportiert.

Hier wird es in Fusionskraftwerken der dritten Generation zur Energiegewinnung genutzt. Helium-3 hat den großen Vorteil, dass bei der Verschmelzung zu Helium-4 geladene Protonen frei werden. Sie können zur Stromerzeugung genutzt werden, ohne über den Umweg des Wasserdampfs zu gehen.

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Dieses Szenario von der Nutzung des Mondes zur Energiegewinnung kommt aus einer weit entfernten Zukunft und ist irgendwo zwischen visionär und Science-Fiction einzuordnen. Effiziente Fusionskraftwerke lassen zumindest noch mehrere Jahrzehnte auf sich warten, wirtschaftliche Transporte großer Materialmengen zwischen Mond und Erde sind nicht absehbar. Doch seit dank der Mondlandungen in den letzten 50 Jahren wesentliche neue Erkenntnisse über den Trabanten verfügbar wurden, wird auch über Verwertungsoptionen spekuliert.

Das Mondgestein, das bisher zur Erde gebracht wurde, lieferte Tonnen an neuem Wissen über Chemie und Mineralogie des natürlichen Satelliten. Was können also die Erdbewohner aus der klarer gewordenen Zusammensetzung lernen? Und inwiefern könnte man Elemente und Mineralien des Erdbegleiters tatsächlich nutzen?

Alt und einfach

Zur ersten Frage kann Christian Köberl, Kosmochemiker an der Universität Wien und Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien (NHM), Auskunft geben. Am NHM sind seit 2013 drei Mondgesteinproben der Nasa als Dauerleihgaben zu sehen. "Es gibt zwar einige Minerale auf dem Mond, die man von der Erde nicht kennt. Insgesamt ist die Mondmineralogie aber viel einfacher als jene des irdischen Gesteins. Man findet dort hauptsächlich Olivin, Feldspat, Pyroxen sowie Ilmenit. Insgesamt ist nur ein Zwanzigstel der Erdminerale vertreten", erklärt Köberl. "Dass der Mond im Vergleich zur Erde ein alter, aber doch weniger primitiver Körper als gedacht ist, war nach den ersten Untersuchungen der Mondgesteine eine Überraschung."

Etwa 380 Kilogramm Mondgestein wurden bisher auf die Erde gebracht. Dieser Brocken ist im Naturhistorischen Museum Wien zu sehen.
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"Alt" bedeutet: mehr als vier Milliarden Jahre. "Man könnte keine Mondminerale mit irdischen Mitteln nachbauen", betont Köberl. Sie sind älter als jedes Gestein auf der Erde. Während sich Erdminerale durch Vulkanismus und geologische Aktivität, durch Interaktion mit Atmosphäre und Organismen immer wieder erneuerten, blieb der Mond über Äonen hinweg starr und inaktiv. Nur Meteoriten und Sonnenwind hinterließen Spuren.

Das Alter irdischer wie außerirdischer Gesteine wird mit radiometrischen Methoden bestimmt. Aus dem radioaktiven Zerfall verschiedener Isotope – etwa Kalium-40 zu Argon-40 – kann man auf die Entstehungszeit schließen. Viele Methoden wurden seit der ersten Verfügbarkeit von Mondgestein präziser und benötigen dabei geringere Probenmengen. Bis heute bringen die lunaren Mitbringsel deshalb neue Erkenntnisse hervor. Auch brachten Mondmeteoriten – also Gestein, das durch Einschlag auf dem Mond frei wird und als Meteorit auf der Erde landet – neue Forschungschancen.

Drei große Theorien

Die Erforschung der Mondgesteine brachte einerseits verblüffende Ähnlichkeiten zur Geochemie zutage, etwa was die Häufigkeit bestimmter Isotope betrifft. Andererseits gibt es in der gesamtchemischen Zusammensetzung große Differenzen zwischen Mond und Erde. "Im Vergleich zur Erde ist der Mond arm an volatilen Elementen, die bei Hitze leicht verdampfen – etwa Alkalimetalle. Zudem fehlen Eisen und Elemente wie Kobalt oder Platin, die sich leicht an Eisen binden. Dafür ist er reich an 'gesteinsliebenden' Stoffen." All das deutet darauf hin, dass der Mond bei seiner Entstehung sehr großer Hitze ausgesetzt war.

So ähnlich und doch so anders: Der Vergleich der chemischen Zusammensetzung von Mond und Erde gibt noch einige Rätsel auf.
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Bevor der Mensch Mondgestein direkt untersuchen konnte, konkurrierten drei große Theorien, die den Mond als Abspaltung der Erde, als durch Gravitation "eingefangenen" Himmelskörper oder als kleineren Schwesterplaneten charakterisierten. Die chemischen Erkenntnisse über das Mondgestein machten aber klar: Viel besser passt eine Kombination dieser Ansätze, nämlich, dass die junge Erde von einem etwa marsgroßen Protoplaneten – "Theia" – getroffen wurde und sich aus frei gewordenem Material der Mond bildete. "Diese Giant-Impact-Theorie, die Ende der 1970er aufkam, gilt im Wesentlichen bis heute. In ihren Details verändert sie sich dank neuer Untersuchungsmethoden und Rechenmodelle aber bis heute immer wieder", resümiert Köberl (siehe Wissen).

Regolith als Baumaterial

Bleibt die Frage: Was kann der Mensch mit dem alten Gesteinsbrocken anfangen? Immerhin sollen in naher Zukunft neue bemannte Mond-Missionen gestartet werden. Für die Nutzung gibt es mehrere Ansätze – und nicht alle sind so entfernt wie die Helium-3-Mähdrescher, erklärt Gernot Grömer vom Österreichischen Weltraum-Forum.

In einer Reihe von Projekten versucht man den überall vorhandenen Mondstaub, sogenannten Regolith, als Bau- und Konstruktionsmaterial zu verwenden. "Regolith ist erstaunlich homogen. Man kann ihn mit gebündelter Sonnenenergie aufsintern und in 3D-Druckern zu Objekten formen", erläutert Grömer. Noch unmittelbarer wäre die Nutzung von Mondstaub als meterhohe Schutzschicht über Habitaten und Laboren, um Mondbewohner vor Strahlung zu schützen.

Das nächste und bedeutend schwieriger erreichbare Ziel wäre, auf dem Mond an Wasser und damit an Treibstoff zu gelangen. Dabei stehen schattige Krater am Südpol im Zentrum der Aufmerksamkeit – dort, wo in lunaren Kältefallen große Mengen Eis vermutet werden. In derselben Region sollen sich auch "peaks of eternal light", also Erhebungen, die beinahe jederzeit direkte Sonneneinstrahlung abbekommen, befinden. "In speziellen Reaktoren könnte man mit Sonnenenergie Wasser aus den mit Eiskristallen überzogenen Mondstaubkörnern auskondensieren", skizziert Grömer. "Hier wäre ein Hotspot für die Exploration. Wer kann, wird sich diesen Ort als Erstes sichern." (Alois Pumhösel, 9.7.2019)