Heiß ist es, man badet, grillt und stellt sich die Frage: Was tut man am besten gegen Gelsen? Warum werde immer ich gestochen? Und natürlich: Sind diese Biester eigentlich zu irgendwas gut?

Letzteres beantworteten die alten Griechen offenbar recht schonungslos: Die Gattung Anopheles, zu der jede Menge malariaübertragende Stechmücken gehören, bezieht ihren Namen vom altgriechischen Wort für "nutzlos". Aus moderner, ökologischer Sicht lässt sich das aber nicht bestätigen. Wie Gelsenexpertin Karin Bakran-Lebl kürzlich bei einer Diskussionsveranstaltung im Museum Niederösterreich in St. Pölten ausführte, haben Stechmücken – oder Gelsen, wie sie im österreichischen Sprachraum heißen – sehr wohl ihren Platz im Naturhaushalt.

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Prost, Mahlzeit! Nur die Weibchen zapfen das Blut des Menschen ab – sie brauchen die Spezialkost, um Eier bilden zu können. Auch sonst spielen Gelsen eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Nahrungskette.
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Zuerst einmal stehen vor allem die Larven der Gelsen auf dem Speisezettel zahlreicher Fische, Amphibien und Insekten. Viele heimische Fische fressen mehrere Hundert Exemplare täglich. Die erwachsenen Stechmücken werden vor allem von Fröschen, Vögeln und Fledermäusen gefressen, spielen aber anteilsmäßig keine tragende Rolle. Selbst bei den gerne als Gelsenvernichter gesehenen Schwalben stellen Gelsen nur rund ein Prozent der Nahrung dar. Dahingegen fressen Schwalben laut einer französischen Studie bevorzugt Libellen, und die wiederum ernähren sich im Larvenstadium gern von Gelsenlarven.

Die Gelsenlarven selbst leben gewöhnlich von Kleinplankton und Schwebstoffen. Unter der Wasseroberfläche hängend, filtern sie diese mit ihren bürstenförmigen Mundwerkzeugen aus ihrer Umgebung. Auf diese Weise säubern sie ganz nebenbei auch das Wasser: Etwa 1500 Gelsenlarven können innerhalb einer Stunde einen Liter schwebstofffreies Nass erzeugen.

Zu guter Letzt treten Gelsen auch als Bestäuber zahlreicher Pflanzen auf. Zwar zapfen alle heimischen Arten Blut am Menschen, allerdings nur die Weibchen, die ohne diese spezielle Mahlzeit keine Eier erzeugen können. Sonst saugen die meisten Stechmücken Pflanzensäfte und spielen als solche eben auch eine friedliche Rolle als Blütenbestäuber. Das in Ostösterreich vorkommende, nachts blühende Ohrlöffel-Leimkraut (Silene otites) ist diesbezüglich fast gänzlich auf Gelsen angewiesen.

Eine Frage des Gegenmittels

Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist die derzeit beliebte Variante, Gelsen mit einem Eiweißstoff zu bekämpfen, der aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis israelensis (B.t.i.) gewonnen wird, fragwürdig. Das Eiweiß zerstört die Darmzellen der Insektenlarven und führt so zu ihrem Tod. Allerdings wirkt es auch auf andere Fliegen- und Mückenarten tödlich, die ihrerseits massiv zum Nahrungsangebot von Vögeln, Fledermäusen und Fischen beitragen.

Bleibt die Frage, wie man sich als potenzielles Opfer vor unfreiwilligen Blutspendeaktionen schützen kann. Besonders störend sind in der Regel die Hausgelsen, die in Gebäuden überwintern. Im Frühjahr suchen die Weibchen zur Eiablage nahe gelegene Wasserstellen auf, wobei eine Vogeltränke oder auch eine gefüllte Gießkanne genügt. Solche Brutstätten zu entfernen ist laut Bakran-Lebl schon ein großer Schritt in Richtung Gelsenbekämpfung.

Wenn man sich hingegen an Gewässern aufhält, hat man es meist mit Überschwemmungsgelsen zu tun. Das sind gewöhnlich recht kurzlebige, aber aggressive Stechmücken: Die Weibchen legen ihre Eier an den Rändern von Gewässern ab, wo die Eier lange Zeit unbeschadet ausharren können. Erst bei einer Überschwemmung beginnt die Entwicklung der neuen Generation, wobei es zu explosionsartigen Massenvermehrungen kommen kann. Kann man den Aufenthalt an betroffenen Orten nicht vermeiden, helfen nur noch schützende Kleidung und chemische Insektenabwehrmittel.

Deet & Co

Gute Wirksamkeit zeigt dabei Diethyltoluamid, kurz Deet, das in den 1940er-Jahren von der US-Armee entwickelt wurde. Allerdings kann es Allergien auslösen und sollte weder von Schwangeren noch Kindern verwendet werden. Außer von Schleimhäuten sollte man es auch von glänzenden Oberflächen, Leder und dergleichen fernhalten, da es diese angreifen kann.

Ebenso wie der weniger aggressive Wirkstoff Icaridin sollte es auf keinen Fall in die Umwelt gelangen: Beide wirken tödlich auf Molchlarven. Aus dem Öl des Zitroneneukalyptus werden Produkte mit dem Wirkstoff PMD hergestellt, die umweltfreundlicher sind, aber als ätherische Öle ebenso Allergien hervorrufen können.

Inwieweit man diese Mittel braucht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Laut Bakran-Lebl reagieren Gelsen zuerst einmal auf das Kohlendioxid in der Atemluft, das sie aus zehn Meter Entfernung riechen können, dann auf die Körperwärme und schließlich auf diverse Geruchsstoffe, die in unserem Schweiß enthalten sind. Da es davon mehr als 200 gibt, die individuell verschieden gemischt sind, ist es nicht verwunderlich, dass nicht alle Menschen gleich attraktiv für Gelsen sind. Mit dem gern angeführten "süßen Blut" hat es jedenfalls nichts zu tun. Auch diverse "innere" Repellentien, wie hochdosierter Knoblauch oder Vitamin B, helfen laut Bakran-Lebl nicht. Und damit die Stechmücken selbst durch aufgenommenen Blutalkohol beeinträchtigt würden, müsste dieser laut Schätzungen fünf Promille enthalten.

Gesundheitsgefahren

Doch welche Gefahr geht tatsächlich von Gelsen aus? Immerhin werden, wie Parasitologie-Experte Horst Aspöck in St. Pölten erklärte, mehr als 50 virale Krankheitserreger beim Menschen durch Stechmücken übertragen. Bei den 45 heimischen Arten ist das Risiko, an etwas Schwerwiegendem zu erkranken, vernachlässigbar.

Aber wie sieht es mit den Neuzugängen der letzten Jahre aus? Von den vier gebietsfremden Stechmückenarten stehen vor allem die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) und die Japanische Buschmücke (Aedes japonicus) im Mittelpunkt des Interesses, da sie Chikungunya- und Denguefieber übertragen können. Die Tigermücke konnte sich bei uns bisher nicht etablieren, die Japanische Buschmücke ist aber mittlerweile in allen Bundesländern nachgewiesen. Laut Aspöck wurde durch sie bis jetzt aber noch keine Krankheit übertragen. (Susanne Strnadl, 6.7.2019)