STANDARD: Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind wichtige Schlagworte unserer Zeit. Wie gehen Sie als Creative Director eines Luxusunternehmens darauf ein?

Zaim Kamal: Mein Lebensmotto lautet: "Sei dir der Konsequenzen deiner Handlungen bewusst, pass auf, dass sie nicht die Entscheidungsfreiheit anderer einschränken." Sozioökologische Aspekte sind nicht nur Teil meines Designbegriffes, sondern meines ganzen Lebens. Ich bin ein Kind der 1970er-Jahre. Wir sind ausgezogen, um die Welt zu verändern und gegen alles zu rebellieren.

Auch heute leben wir in einer Phase der Veränderung. Es wächst eine Generation heran, die ihre Zukunft nicht aufs Spiel gesetzt sehen will. Montblanc kooperiert unter anderem mit Unicef und Red. Weitere Projekte folgen Ende dieses Jahres bzw. Anfang nächsten Jahres.

Seit 2013 verantwortet Zaim Kamal die Gestaltung aller Montblanc-Produkte.
Foto: Montblanc

STANDARD: Digitalisierung ist ein großer Faktor, der die Welt verändert. Wie reagiert ein Unternehmen darauf, das vor allem für traditionelle, analoge Produkte steht?

Kamal: Es geht uns um ein Nebeneinander von Tradition und Modernität. So bieten wir etwa Smartwatches an, die aber aussehen wie mechanische Uhren. Letztere trägt man nicht, weil sie so exakt ist, lange Gangreserve besitzen oder mit Edelsteinen besetzt sind. Vielmehr gibt es eine Geschichte dahinter, eine emotionale oder, wie ich es nenne, "taktile" Komponente. Wir geben mit den Designs von Knöpfen, Gehäuse, Aufmachung auch den modernen Produkten die taktile Qualität einer mechanischen Uhr. Ich bestand etwa auf ein gekrümmtes Glas. Die Entwickler fragten mich, ob ich verrückt sei. So was gehe nicht bei einer Smartwatch, hieß es. Es ging doch! Und nun fühlt sich die Smartwatch anders an. Sie verliert den Eindruck eines bloßen Technik-Device.

STANDARD: Sind Sie selbst eher ein digitaler oder ein analoger Typ?

Kamal: Beides. Zum Beispiel zeichne ich meine Entwürfe händisch in ein Notizbuch. Da ich viel reise, stellt sich die Frage, wie meine Skizzen zu den Montblanc-Designern gelangen. Früher wurden sie gefaxt, heute fotografiere ich sie mit dem Smartphone und schicke das Foto per Mail.

STANDARD: Warum brauchen wir Schreibgeräte, wo wir doch hauptsächlich tippen?

Kamal: Ich unterrichte neben meiner Tätigkeit bei Montblanc an Design-Universitäten. Da gebe ich meinen Studierenden Stift und und Papier, fordere sie auf, für eine wichtige Person in ihrem Leben "Ich liebe dich" aufzuschreiben. Danach sollen sie den gleichen Satz am Computer eintippen. Alle sind sich einig: Die handgeschriebene Version erfahre mehr Wertschätzung. Der Grund liegt für mich darin, dass der Absender die Botschaft berührt hat. Das gibt ihr einen Austausch, etwas Persönliches. Diese taktile Komponente spricht ein zutiefst menschliches Bedürfnis an.

Zaim Kamal skizziert natürlich mit einer Montblanc-Feder: 1) Move from the sad to the happy. 2) Never forget to have fun. 3) Be a Rock 'n' Roll Pirate nation. 4) The world is the only sun to move around.
Illustration: Zaim Kamal

STANDARD: Steckt dasselbe Bedürfnis hinter der Beliebtheit von Emojis?

Kamal: Genau. Emojis visualisieren einen Gefühlsausdruck und bringen somit eine taktile Komponente in die digitale Botschaft. Außerdem vereinheitlichen sie Bedeutungen und können dadurch interkulturell verstanden werden.

STANDARD: Was ist Ihr Lieblings-Emoji?

Kamal: Das Kuss-Emoji. Ich setze es ans Ende jeder Nachricht an meine Tochter oder schicke es ihr einfach so zwischendurch.

STANDARD: Es werden laufend neue Emojis gestaltet. Welche brauchen wir noch?

Kamal skizziert, natürlich mit einer Montblanc-Feder – Ergebnis siehe oben. (Michael Steingruber, Rondo, 10.9.2019)