Der E-Priam unterscheidet sich äußerlich vom normalen Priam nur durch eine dickere Hinterachse und zwei Kilo mehr auf der Waage.

Bild: Cybex

Das Extra an Bequemlichkeit lässt sich Hersteller Cybex einiges Kosten: Mit 1100 Euro in der Basisausstattung ist er 300 Euro teurer als das analoge Modell.

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Ab dem 15. Juli ist er im Fachhandel erhältlich. Vermutlich nur der erste von noch vielen elektrischen Kinderwägen.

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Der Heckantrieb lässt sich jederzeit ein- und ausschalten. Mindestens acht Kilometer soll der Motor mit einer Akkuladung anschieben können.

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Drucksensoren im Haltegriff erkennen automatisch, wann der Motor hinzugeschaltet werden muss. Bei einer Steigung schiebt er an. Im Gefälle bremst er mit.

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Für kinderlose Menschen ist ein Kinderwagen ein Kinderwagen. Für Eltern ist das nur ein Teil der Wahrheit. Denn für sie ist dieses Gefährt, über das man sich bis kurz vor der Geburt des Sprösslings nie Gedanken gemacht hat, viel mehr.

Hat man sich einmal an den Umstand gewöhnt, dass man ab der Geburt des Babys ohne Kinderwagen kaum mehr das Haus verlassen kann, erkennt man, was er noch so alles ist: Ein Packesel für Einkäufe, ein mobiler Kleiderschrank, ein Proviantwagen, eine Handtasche, ein Rollator für geschlauchte Mamas, Papas oder Großeltern, ein allgegenwärtiger Schlafplatz für launische Zwerge, ein fixer Sitzplatz im Bus oder der Straßenbahn für Kind und Eltern, ein Fastpass für den Flughafen-Sicherheitscheck, eine Besserstellung im Restaurant und ein Magnet für alte Leute.

Aber ein Kinderwagen ist eben auch ein ziemlich klobiges Teil, das man immer vor sich herschieben muss. Im Hochsommer bei 36 Grad im Schatten genauso wie im Winter, wenn es schneit. Und wenn es schüttet und hagelt – egal wie steil und holprig der Weg sein mag. Der Kinderwagen ist die Fußfessel der Jungeltern, die einen immerzu daran erinnert, nicht mehr tagelang pizzafutternd auf der Couch versumpern zu können.

Erfrischend egoistisch

Hat man das als Außenstehender verstanden, versteht man vielleicht auch, weshalb Eltern intensiv darüber beraten, welche Spurbreite, Sitzoptionen und welche Extras das Babymobil haben sollte. Und man erkennt womöglich auch, weshalb die Hersteller ganz ungeniert darauf vertrauen können, dass viele Eltern zum Wohl des Kindes gerne ein paar Hunderter mehr ausgeben. Wer will schon beim eigenen Baby sparen?

Unter diesem Gesichtspunkt ist das Aufkommen der ersten elektrischen Kinderwägen doch überraschend. Im positiven Sinne. Geplagt von der Ungewissheit, ob man nicht doch noch irgendetwas besser machen könnte fürs rundum gewickelte und gepolsterte Kind, ist die Frage, ob man einen E-Antrieb möchte oder nicht, eigentlich eine egoistische Angelegenheit für Kleinkindeltern. Denn dem Wonnebrocken vorne im Cockpit ist herzlich egal, ob der Papa schiebt oder ein Motor die Reifen dreht: Sein Gefährt steuert in beiden Fällen autonom.

Treibt an und bremst mit

Für den Steuermann oder die Steuerfrau ist der Unterschied jedoch durchaus bemerkenswert. Der getestete E-Priam des deutschen Herstellers Cybex ist nur zwei Kilo schwerer als das analoge Pendant, schiebt dafür selbst an, wenn es bergauf geht, und bremst im Gefälle mit. Der Gedanke dahinter: Egal, wie sehr Sie Ihre Fußfessel auf vier Rädern leid sind oder Ihr Rücken schmerzt, das Schiebeerlebnis soll immer so sein, als spazierten Sie auf einer waagerechten Straße.

Das funktionierte bei der Probefahrt wie beworben. Besonders elegant ist die technische Umsetzung: Im Haltegriff erkennen Drucksensoren den Kraftaufwand automatisch und schalten selbstständig den Antrieb zu. Der Akku in der Hinterachse speist den Motor je nach Belastung mit ausreichend Energie für mindestens acht Kilometer. Zum Laden wird er herausgenommen und über die Steckdose gefüttert. Den E-Roller ersparen sich Eltern übrigens damit leider nicht: 6 km/h Maximalgeschwindigkeit und es gibt kein Trittbrett, das den Schieber mitfahren lässt.

Preis der Bequemlichkeit

Dieses Quäntchen Egoismus und Mehr an Bequemlichkeit lässt sich Cybex zusätzlich 300 Euro kosten. Den E-Priam wird es ab 15. Juli im heimischen Handel ab 1100 Euro geben. Abseits des höheren Preises wird sich der eine oder andere daran stoßen, neben Handy, Rasierer, Smartwatch, Laptop und Zahnbürste einen weiteren Akku laden zu müssen und so eine noch größere Geisel der Steckdose zu werden. Auch die Umwelt freut sich nicht.

Auf der anderen Seite: Wenn E-Kinderwägen dafür sorgen sollten, dass Mamis und Papis deshalb künftig öfter das Auto stehen lassen, wäre das wiederum ein Argument für die E-Mobilität beim Wagerl. (Zsolt Wilhelm, 4.7.2019)