Bild nicht mehr verfügbar.

Unvollendet.

Foto: AP/Antoine

Es war wie immer. Der Schlusspfiff ertönte, Lionel Messi stand gedankenversunken und einsam im Mittelkreis. Bis Brasiliens Kapitän Dani Alves kam und den wieder einmal geschlagenen Superstar der Argentinier in den Arm nahm. Mitgefühl und Mitleid mit einem, der im Fußball alles gewonnen hat, nur keinen Titel mit seiner Nationalmannschaft.

Mit dem 0:2 (0:1) im Halbfinale der Copa América bleibt der fünfmalige Weltfußballer im himmelblau-weißen Nationaltrikot der Unvollendete. "Ungerecht", schimpfte der 32-jährige Star des FC Barcelona voller Wut auf den Schiedsrichter. "Für sie pfiff er jede Kleinigkeit, für uns gab es nur gelbe Karten. Heute haben sie nicht einmal den Videobeweis herangezogen."

Unermüdlich

Der Kapitän der Argentinier wollte in zwei Szenen Elfmeter für die Selección gesehen haben, tatsächlich war er selbst nur wenige Sekunden vor dem zweiten Tor der Brasilianer zu Fall gebracht worden. Doch Schiedsrichter Roddy Zambrano aus Ecuador ließ weiterlaufen und verzichtete auch aufs Videostudium der strittigen Szene. "Wir haben ein großes Spiel geliefert", sagte Messi.

Und um ein Haar hätte er der Seleção im Mineirão von Belo Horizonte, wo Brasilien 2014 im WM-Halbfinale gegen Deutschland sein 1:7 erlitten hatte, ein neues Fiasko beschert. Unermüdlich kurbelte Messi das argentinische Spiel mit teils spektakulären Aktionen an, er servierte Sergio Aguero die Flanke zu einem Lattenkopfball (30.), er scheiterte selbst mit einem Schuss an der Stange (58.), und er war hauptverantwortlich für das Torschussverhältnis von 13:4 zugunsten der Argentinier.

Durststrecke seit 1993

Deshalb flehte daheim auch die Sportplattform Olé unmittelbar nach Schlusspfiff: "Hör nicht auf, es zu versuchen, Leo!" Für Messi geht es am Samstag noch nach São Paulo zur Partie der Halbfinalverlierer um Platz drei. Vielleicht nächstes Jahr erneut zur Copa América, dann daheim. Und 2022 die WM in Katar. Der letzte Titel der Argentinier datiert von der Südamerikameisterschaft 1993. Zum letzten Mal wirklich knapp dran gewesen war die Albiceleste im WM-Finale 2014, das gegen Deutschland in der Verlängerung 0:1 verlorenging. Da hatte der Referee nach einer knappen Stunde beim Stand von 0:0 eine Penalty-, wenn nicht ausschlusswürdige Attacke des deutschen Goalies Manuel Neuer an Gonzalo Higuaín nicht geahndet.

Alle neune?

Im Copa-América-Endspiel am Sonntag treffen die Brasilianer im Maracanã auf Peru. Die peruanische Auswahl gewann am Mittwoch in Porto Alegre mit 3:0 (2:0) gegen die Chilenen. Die Seleção kann ihre fünfte Heim-Copa holen, insgesamt strebt sie den neunten Triumph beim ältesten Nationenturnier der Welt an.

Brasiliens Staatspräsident Jair Bolsonaro war auf Nummer sicher gegangen, er ließ sich bereits zur Halbzeit des Semifinales auf einer halben Ehrenrunde als "Mito" (Mythos) feiern. Erst nach Schlusspfiff stürmte der verletzt fehlende Superstar Neymar zum Mitfeiern in die Kabine. Nationaltrainer Tite immerhin vergaß auch in der Stunde des Triumphs den Verlierer des Abends nicht und stellte klar: "Messi ist ein Außerirdischer." Tite freute sich über die Effizienz seines Teams. Gabriel Jesus (19.), der zuvor in fünf WM-Spielen und vier Copa-Auftritten leer ausgegangen war, sowie Roberto Firmino (71.) hatten das mit 55.000 Zuschauern gefüllte Mineirão in einen Hexenkessel verwandelt.

"Unvollendete"

Am Ende gehörte die Bühne aber noch einmal Lionel Messi. Der "Unvollendete" beantwortete die unvermeidliche Frage nach seiner Zukunft im neu formierten Team wie folgt: "Am Horizont zeichnet sich etwas Neues ab. Ich hoffe, dass wir mit Respekt behandelt und nicht kritisiert werden. Sie sollen diese Mannschaft wachsen lassen. Wenn ich helfen kann, werde ich das tun. Wenn ich weiter Teil davon sein soll, werde ich das machen." Doch viele Chancen auf einen Titel mit der Selección bleiben dem fünfmaligen Weltfußballer nicht. (sid, APA, fri, 3.7.2019)