Parteichef Kyriakos Mitsotakis im Wahlkampf.

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Athen – Die vorgezogene Neuwahl in Griechenland dürfte eine Bestrafungsaktion gegen die regierende Syriza unter Premier Alexis Tsipras werden. Denn die Mittelschicht, die unter der Steuerlast und den hohen Sozialversicherungsabgaben leidet, ist von der Politik der Linken enttäuscht. Deshalb führt die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) in Umfragen mit etwa zehn Prozentpunkten. Die Frustration ist verständlich. Tatsächlich war Tsipras 2015 damit angetreten, den großen "Schmerz" der Sparpolitik zu beenden. Dass er dieses Versprechen angesichts der Schulden nicht einhalten konnte, war, nüchtern betrachtet, damals schon klar.

Es wurden zwar Sozialprogramme für die Allerärmsten eingeführt, doch eine Trendumkehr konnte nicht erreicht werden. Die ND liegt bei etwa 38 Prozent, könnte aber trotzdem die Mehrheit der Parlamentsmandate erringen. Denn die stärkste Partei erhält automatisch 50 Mandate zusätzlich. Entscheidend wird sein, wie viele Parteien ins Parlament einziehen: Sind es nur fünf, dann schaut es für die Nea Dimokratia gut aus. Sind es sechs oder sieben, könnten die Konservativen einen Koalitionspartner brauchen. Am wahrscheinlichsten ist dann eine Zusammenarbeit mit der Mitte-links-orientierten Kinal, die bereits angekündigt hat, dass sie nicht zulassen wird, dass keine Regierung gebildet werden kann.

Die ND will, wenn sie an die Macht kommt, in den ersten beiden Jahre die Immobiliensteuer auf 30 Prozent, die Körperschaftssteuer auf 20 Prozent und die Kapitalertragssteuer auf fünf Prozent senken. Wirtschaftlich betrachtet wären Steuersenkungen durchaus sinnvoll – denn etwa 100.000 Selbstständige haben sich in den vergangenen Jahren in die Schattenwirtschaft verabschiedet. Auch Investoren könnten von niedrigeren Steuersätzen angezogen werden.

Geringer Handlungsspielraum

Der Handlungsspielraum ist aber für Regierende – egal welcher Partei – angesichts der Schulden sehr gering. Laut dem Sprecher der ND, Yannis Mastrogeorgiou, ist Ziel Nummer eins, den Bonitätsstatus zu verbessern (damit die Risikozuschläge bei den Staatsanleihen sinken) und die Kapitalverkehrskontrollen aufzuheben. Die ND will die Steuersenkungen durch Kürzungen in der Verwaltung von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr und höhere Einnahmen durch mehr elektronischen Zahlungsverkehr finanzieren. Das wird aber nicht reichen.

Ziel ist es, auf vier Prozent Wachstum pro Jahr zu kommen. Das scheint zurzeit unrealistisch, das Wachstum liegt jetzt etwa bei 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Konkrete Ziele hinsichtlich des Abbaus der Staatsschulden von derzeit 180 Prozent des BIP gibt die ND nicht bekannt.

Die Verschuldung liegt um einiges höher als zu dem Zeitpunkt, als Syriza an die Macht kam, aber zumindest das Hilfsprogramm wurde beendet. "Griechenland hat sich halb erholt", beschreibt der Politologe Dimitris Katsikas von der Universität Athen die Situation. Als positiv kann gewertet werden, dass die Steuerbehörden und die Verwaltung besser arbeiten und die Erstellung eines Grundbuchs vorangeht. "Wir sind ein bisschen reifer geworden", konstatiert Katsikas. "Es gibt mehr Selbstkritik, und die Schuld an der Krise wird weniger nach außen abgeschoben." (Adelheid Wölfl, 4.7.2019)