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Orientierung und Gedächtnis sind eng miteinander vernetzt, dabei spielen, rhythmische Hirnwellen eine entscheidende Rolle.

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Wenn Menschen mit Demenz zunehmend vergesslich werden, geht oft ein anderes Phänomen mit der Erkrankung einher. Sie verlieren zunehmend die Orientierung. Nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich. Das muss nicht immer sofort heißen, dass sie ziellos durch die Straßen gehen, vielmehr verlieren sie die inner Landkarte, können Adressen nicht mehr zuordnen, die ihnen ein Leben lang vertraut sind.

Das Gehirn scheint eine Art GPS-System für die räumliche Orientierung zu besitzen; doch wie genau es funktioniert, konnte bislang nicht erklärt werden. Ein internationales Forscherteam lieferte nun eine mögliche Erklärung. Man vermutet die Ursache in den rhythmischen Fluktuationen in der Hirnaktivität, den Theta-Oszillationen.

Innerer Navigator

Diese Hirnwellen könnten helfen, sich den Ort zu merken, zu dem man navigieren möchte. Zu diesem Ergebnis kamen die Forscher nach Studien mit Epilepsiepatienten, denen zur Operationsplanung Elektroden in das Gehirn implantiert worden waren. Über die Elektroden zeichneten die Wissenschafter die neuronale Aktivität während einer Navigationsaufgabe in der virtuellen Realität auf.

Frühere Studien hatten bereits ergeben, dass die Oszillationen in der neuronalen Aktivität beim Navigieren ein charakteristisches Muster aufweisen. Die Theta-Oszillationen, bei denen sich die Hirnaktivität mit einer Frequenz von ungefähr vier Hertz ändert, scheinen eine zentrale Rolle zu spielen. Wie genau sie zur räumlichen Orientierung beitragen, war aber nicht klar.

Im Versuch lernten die teilnehmenden Epilepsiepatienten, bestimmte Objekte in einer virtuellen Umgebung mit bestimmten Orten zu assoziieren. Für jede dieser erlernten Assoziationen identifizierten die Wissenschafter das charakteristische Hirnaktivitätsmuster. Später mussten sich die Probandinnen und Probanden erinnern, welches Objekt mit welchem Ort assoziiert gewesen ist.

Alzheimer vorhersagen

Während sie im Gedächtnis nach dem passenden Ort suchten und in der virtuellen Umgebung zu diesem Ort navigierten, reaktivierte das Gehirn die ortscharakteristischen Aktivitätsmuster. Diese Reaktivierung der Hirnaktivität erfolgte für verschiedene Objekt-Ort-Paare zu verschiedenen Zeitpunkten im Verlauf der Theta-Oszillationen. "Die Theta-Oszillationen könnten also die Reaktivierung verschiedener Erinnerungen koordinieren und außerdem helfen, konkurrierende Erinnerungen auseinanderzuhalten", sagt Lukas Kunz vom Universitätsklinikum Freiburg, der an dieser Studie beteiligt war.

"Viele Krankheiten gehen mit Desorientierung und Gedächtnisverlust einher, daher ist es wichtig, die zugrunde liegenden neuronalen Mechanismen zu verstehen", erklärt Nikolai Axmacher, Leiter der Abteilung Neuropsychologie an der Ruhr-Universität Bochum, der ebenfalls in dieses Forschungsprojekt involviert war. Der Bochumer Forscher und seine Kollegen hoffen, dass ihre Studien eines Tages helfen können, Biomarker für solche neurologischen Krankheiten zu finden. (red, 5.7.2019)