Kohlekraftwerke sind nach wie vor eine der größten Stromquellen Europas. Mit verheerenden Folgen für die Umwelt.
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Kohle ist billig und in großen Mengen vorhanden. Kohlekraftwerke decken daher nach wie vor einen erheblichen Teil des globalen Energiebedarfs ab. Doch die Verbrennung von Kohle ist auch die umweltschädlichste Form der Energiegewinnung. Bei steigenden Temperaturen und gesundheitlichen Bedrohungen durch die menschengemachte Klimakrise wird der Ruf nach einem Ausstieg aus der Kohleenergie daher jedes Jahr lauter. Eine Debatte, die auch innerhalb der Europäischen Union brennt und die Mitgliedsstaaten zu Maßnahmen drängt.

2000 bis 2018: In vielen EU-Ländern sind fossile Brennstoffe heute noch die primäre Energiequelle.
Foto: Sandbag

Gute und schlechte Nachrichten

Die gute Nachricht: Bis 2030 wollen acht EU-Staaten gänzlich auf Kohlekraftwerke verzichten und diese mit erneuerbaren oder zumindest umweltfreundlicheren Energiequellen ersetzen. Darunter sind Frankreich, Italien, Irland, Portugal und auch Österreich.

Die schlechte Nachricht: Auch nach 2030 werden noch sechs EU-Staaten mit Kohlekraftwerken die Luft verpesten. Allen voran: Deutschland, das erst 2038 den Ausstieg schaffen will, und Polen, das auch in zehn Jahren noch den Großteil seines Energiebedarfs mit Kohle decken möchte.

Die Energie- und Klimapläne jener EU-Länder im Vergleich, die heute noch Kohlekraftwerke nutzen. Mit Abstand die größten Produzenten von aus Kohle gewonnener Energie: Deutschland und Polen.
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Ausstieg erfolgt zu langsam

Der Klimaschutzorganisation Sandbag, die seit 2008 in England und Brüssel für politische Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen lobbyiert, hat die Daten zur europäischen Kohlenutzung zusammengetragen und die Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschen dokumentiert. In ihrem jüngsten Bericht von Ende Mai blickt die Organisation in die Klima- und Energiepläne der EU-Staaten. Der größte Kritikpunkt: "Zu wenige Mitgliedsländer haben verstanden, wie schnell und in welchem Umfang reagiert werden muss, um das Energiesystem über das nächste Jahrzehnt zu transformieren."

Während die Nutzung von Steinkohle (Hard Coal) rasch zurückgeht, sieht es bei der Braunkohle (Lignite) anders aus. Auch zu sehen: Die Emissionen aus der Industrie gingen in den vergangenen Jahren kaum zurück, während die des Flugverkehrs stark gestiegen sind.
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Wie bereits aus einer Datenanalyse des Emissionshandelssystems der EU aus dem Jahr 2018 hervorgeht, geht vor allem der Ausstieg aus der Braunkohle nur sehr langsam voran – minus 14 Prozent seit 2012. Gute Fortschritte gibt es beim Verzicht auf Steinkohle: 40 Prozent Rückgang von 2012 bis 2018. Aufgefangen wurde dies hauptsächlich von erneuerbaren Energien aus Wind- und Solarkraftwerken, was nicht zuletzt auf deren rasanten Preisverfall zurückzuführen ist. In Deutschland sind Solar- und Windenergie seit dem vergangen Jahr günstiger als Strom aus Kohlekraftwerken.

Animation: Kohlekraftwerke verpesten die Luft in ganz Europa.
Europe Beyond Coal

Gefahr für Menschen und Umwelt in ganz Europa

Wie sich der Betrieb von Kohlekraftwerken auf die Luft in ganz Europa auswirkt, haben die Organisationen Europe Beyond Coal, Climate Action Network Europe, Sandbag und Greenpeace Central sowie die Europäische Umweltbehörde anhand eines atmosphärischen Modells dargestellt. In der Animation zu sehen ist, wie sich die giftigen Emissionen der 103 in Europa betriebenen Kohlekraftwerke über hunderte Kilometer verbreiten. Den Berechnungen zufolge sollen allein die zehn größten Kraftwerksbetreiber für zwei Drittel der 2016 durch Kohlekraftwerke verursachten Gesundheitsschäden verantwortlich sein.

Die zehn größten Kohleenergieerzeuger Europas. RWE, EPH und PGE führen die Liste an. Vier der größten Betreiber produzieren hauptsächlich in Deutschland.
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Diese zehn Kohlekraftwerksbetreiber sollen allein im einjährigen Analysezeitraum 7.600 frühzeitige Tode verursacht haben und verantwortlich für 3.200 neue Fälle von chronischer Bronchitis und 137.000 Fälle von Asthmasymptomen bei Kindern sein. Das habe zu 5.820 Spitalseinweisungen und über zwei Millionen verlorenen Arbeitstagen geführt.

Maßnahmen für den Kohleausstieg

Der Organisation Sandbag zufolge sind mehrere Maßnahmen notwendig, um den Kohleausstieg zu beschleunigen. So müsse die EU-Komission die Regierungen auffordern, über die Qualität ihrer Entwürfe für nationale Energie- und Klimapläne Rechenschaft abzulegen und Empfehlungen zu geben, die sicherstellen, dass die Mitgliedsstaaten den unvermeidlichen Abbau von Kohle sozial gerecht und geordnet planen. Klimaverzögerer sollten keinen Freipass bekommen. Weiters müsse die Komission sicherstellen, dass die EU-Unterstützungen für ein Mitgliedsland von glaubwürdigen und ehrgeizigen Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten zur Energiewende abhängig ist, einschließlich einer deutlichen Verringerung der Stromerzeugung aus Kohle.

Neun der zehn größten Umweltsünder Europas sind Braunkohlekraftwerke.
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Laut den Autoren des Berichts führt letztlich kein Weg daran vorbei, dass die EU-Länder ihren Kohleausstieg beschleunigen und zu erneuerbaren Energiesystemen übergehen, will man die Klimaziele des Pariser Abkommens erreichen und damit massive wirtschaftliche und ökologische Schäden abwenden. Klare Verpflichtungen und Maßnahmen zum Kohleausstieg würden wiederum höhere EU-Förderungen ermöglichen und für eine Energiewende sorgen, bei der Arbeitskräften aus der Kohleindustrie neue berufliche Chancen eröffnet würden. (zw, 9.7.2019)