Zwei kleine Narben und eine größere Fraktur kennzeichnen das 33.000 Jahre alte Frühmenschen-Fossil. Vermutlich handelt es sich um das Opfer einer Gewalttat.

Foto: Senckenberg

Die Frühzeit des modernen Menschen war keineswegs jenes friedvolle Idyll, als das es immer wieder gerne dargestellt wird. Gewalt und selbst Mord – zumindest nach aktuellem Verständnis dieses Begriffes – dürften im Alltag der ersten Homo-sapiens-Vertreter in Europa keine Seltenheit gewesen sein. Ein solcher prähistorischer "Kriminalfall" wurde nun von einen internationalen Forscherteam identifiziert.

Die Wissenschafter rund um Katerina Harvati von der Universität Tübingen untersuchte mit modernsten forensischen Methoden den Schädel eines 33.000 Jahre alten Homo sapiens. Das altsteinzeitliche Fossil stammt aus der rumänischen Cioclovina Höhle und gilt als einer der ältesten Vertreter der modernen Europäer.

Tödlicher Keulenschlag

Der Schädelknochen des Fossils weist mehrere Verletzungen auf, die bisher als post mortem interpretiert wurden. Harvati und ihre Kollegen zeigen nun in der im Fachjournal "Plos One" veröffentlichten Studie, dass diese Frakturen offensichtlich gewaltvoll zugefügt wurden und vermutlich zum Tod der vermutlich männlichen Person führten.

Zwei kleine Narben und eine größere Fraktur verlaufen über den Frühmenschen-Schädel. "Bislang ist man davon ausgegangen, dass diese Risse nach dem Tod, als Folge von Verwitterungsprozessen, entstanden sind", erklärt Harvati vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen. "Wir haben das männliche Fossil nun mit modernen forensischen Methoden untersucht und können eine Entstehung dieser Frakturen nach dem Ableben ausschließen."

Vielmehr schlussfolgern Harvati und ihre KollegInnen Elena F. Kranioti von der Universität Kreta und Dan Grigorescu von der Universität Bukarest, dass der fossile Vertreter der frühesten modernen Menschen in Europa Opfer einer Gewalttat wurde. "Sowohl unsere forensische Knochentrauma-Analyse als auch experimentelle Modelle zeigen, dass die Frakturen von zwei Vorfällen stumpfer Gewalt herrühren – der zweite eindeutig mit einem keulenartigen Objekt." Das Ausmaß der Verletzungen sowie die fehlenden Anzeichen einer Heilung weisen auf einen Schlag mit Todesfolge hin.

Möglicherweise ein persönlicher Konflikt

Das Team kann sogar nähere Auskünfte über die Täter und den Tathergang geben: Das Muster der Fraktur deutet darauf hin, dass sich Opfer und Angreifer frontal gegenüberstanden und der Schlag mit der linken Hand ausgeführt wurde. "Eventuell wurde das Opfer auch in einer knienden Position von einer Art Knüppel getroffen", erläutert die Forensische Anthropologin Kranioti und ergänzt: "Wir gehen hier von einem persönlichen Konflikt aus, der mit Gewalt und wahrscheinlich sogar mit dem Tod endete."

Das Altpaläolithikum ist für technologische Innovationen, kulturelle Komplexität und gesteigertes symbolisches Verhalten bekannt. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Verhalten der frühesten modernen Europäer aber auch gewalttätige Konflikte und sogar Morde beinhaltete", meint Harvati. (red, 4.7.2019)