Stau mal wieder! Am kommenden Wochenende wird es auf der Europabrücke wieder eng werden.

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Innsbruck – Die Tiroler Polizei erwartet am kommenden Wochenende den ersten wirklich starken Reiseverkehr. Wegen des Ferienbeginns in Westösterreich und in mehreren deutschen Bundesländern gilt bereits am Samstag ein Lkw-Fahrverbot auf der Inntal- und Brennerautobahn. Für durchreisende Pkws gelten am Wochenende wieder Fahrverbote auf dem niederrangigen Straßennetz. Damit soll verhindert werden, dass die Urlauber auf ihrem Weg in den Süden bei Stau die Autobahn verlassen und für ein Verkehrschaos in den Ortschaften entlang der Transitroute sorgen.

Nachdem solche temporären Fahrverbote bereits seit zwei Wochenenden in den Bezirken Innsbruck und Innsbruck Land gelten, werden sie ab Samstag auch in den Bezirken Reutte und Kufstein umgesetzt. Die Maßnahme, die von der Tiroler Landesregierung als "Notwehr" bezeichnet wird, um die Versorgungssicherheit der Gemeinden zu gewährleisten, hat vor allem in Deutschland für heftige Kritik gesorgt.

Rechtlich basieren die temporären Fahrverbote auf dem Umstand, dass das nachgeordnete Straßennetz nicht für den Ausweichverkehr ausgelegt ist. Als nun aber, wie zuletzt immer häufiger, die Urlauber, um den Stau zu umgehen, auf die engen Landes- und Gemeindestraßen auswichen – ja sogar auf Feldwege lotsten die Navigationsgeräte vereinzelt Reisende – führte das zum völligen Zusammenbruch des Verkehrs. Nicht einmal Einsatzfahrzeuge von Rettung oder Feuerwehr konnten passieren. Um die Versorgungs- und Verkehrssicherheit in diesen Ortschaften zu gewährleisten, erließ die Landesregierung die Verkehrseinschränkungen. Nur Anrainer-, Quell- und Zielverkehr sind davon ausgenommen.

Deutschland und Italien wollen klagen

In unserem Nachbarland fühlen sich die Politiker der CSU, allen voran Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Verkehrsminister Andreas Scheuer, "diskriminiert". Die Tiroler Fahrverbote würden den freien Warenverkehr und auch die Reisefreiheit "massiv einschränken". Sie wollen daher Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einreichen. Auch Tirols südlicher Nachbar Italien droht mittlerweile mit Klage, weil man sich an den Fahrverboten für den Lkw-Transit stößt.

Seitens der EU kam diese Woche ebenfalls ein Rüffel für die Tiroler "Notwehrmaßnahmen". Verkehrskommissarin Violeta Bulc nannte die Lkw-Blockabfertigung "unverhältnismäßig". Diese Maßnahme werde zu oft eingesetzt, so die Kritik. Tatsächlich plant Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) 2019 an mindestens 32 Tagen nur ein gewisses Lkw-Kontingent pro Stunde durchs Land fahren zu lassen. Wenn die Blockabfertigung eingesetzt wird, führt das regelmäßig zu großem Lkw-Rückstau nach Bayern. Naturgemäß ist die dortige Politik wenig begeistert von der Tiroler Maßnahme, weshalb man auch dagegen klagen will.

Dass die Bayern nun offenbar ihrerseits die seit 2015 andauernden Grenzkontrollen bei der Einreise in Kiefersfelden lockern, die wiederum zu Verkehrsbehinderungen auf Tiroler Seite führten, ändere aber nichts an der Situation, bestätigt Platter. Man werde an den einzelnen verkehrsbeschränkenden Maßnahmen festhalten.

Neue Beschränkungen in Arbeit

Noch in diesen Tagen soll eine Verschärfung des sektoralen Fahrverbots erlassen werden, das ab 1. Jänner 2020 gilt. Es bezieht sich auf bestimmte Güter sowie Lkw-Klassen, die dann nicht mehr Tirol passieren dürfen. Auch das Nachtfahrverbot und das Euro-Klassen-Fahrverbot werden verschärft. Darüber hinaus arbeitet die Landesregierung zusammen mit der Asfinag an einem Dosiersystem für Lkws. Dadurch soll im Fall der Überlastung der Autobahnen bereits frühzeitig mittels Geschwindigkeitsbeschränkungen für den Schwerverkehr ab der bayrischen Grenze eingegriffen werden. Wie die Nachbarn darauf reagieren, wird sich weisen.

Die politische Stimmung ist jedenfalls angespannt. Landeshauptmann Platter wird am Freitag italienische Politiker bei der Arge-Alp-Sitzung treffen. Auch dabei wird der Verkehr ein Thema sein. Grundsätzlich, so Platter, sei er gesprächsbereit. Allerdings schränkt er diese Dialogbereitschaft scharf ein: Tirol werde nur dann an den Verhandlungstisch zurückkehren, wenn es darum geht, gemeinsame Maßnahmen zur Eindämmung des Transitverkehrs zu beschließen.

Landtag unterstützt Regierung

Der Tiroler Landtag stellte sich diese Woche demonstrativ und geschlossen hinter die Landesregierung und die Fahrverbote. Für Platter eine Bestätigung des eingeschlagenen Weges: "Das Maß ist voll, die Diskussionen sind zu Ende. Wir brauchen keine großen Gipfel der schönen Worte, sondern es braucht nun Taten."

In den von Verkehr besonders betroffenen Tiroler Gemeinden, in denen seit zwei Wochen bereits Fahrverbote für den Durchzugsverkehr gelten, atmet die Bevölkerung indes auf. Die Maßnahmen hätten gewirkt, berichtet etwa der Bürgermeister von Ellbögen, Walter Hofer: "Ich bin heilfroh, dass das Land reagiert hat." In seinem Ort stand zu Pfingsten wegen des Urlauber-Ausweichverkehrs alles still. In Reutte im Außerfern, wo am Samstag erstmals Fahrverbote auf Nebenstraßen gelten, hofft Amtsleiter Sebastian Weirather auf einen ähnlichen Effekt der Fahrverbote: "Wir sehen das positiv, weil es mittlerweile nicht mehr möglich ist, an Reisewochenenden von A nach B zu kommen." (Steffen Arora, 4.7.2019)