Wien – Der neue Finanzminister macht sich schon Sorgen. Es sei derzeit nicht sicher, ob im kommenden Jahr ein Budgetüberschuss erwirtschaftet werden könne, sagte Eduard Müller, früher Sektions- und nun Ressortchef, am Mittwoch nach den diversen Beschlüssen der vergangenen Tage durch den Nationalrat. Nach ersten Berechnungen seines Hauses belaufen sich die bisher nichtbudgetierten Mehrkosten auf 241 Millionen Euro im kommenden Jahr und auf immerhin 1,1 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre.

Zwei Tage lang wurden mit wechselnden Mehrheiten diverse Beschlüsse gefasst. Nur ein paar haben auch gröbere finanzielle Folgen.
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Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass ein beträchtlicher Teil dieser Kosten nicht auf die zuletzt vieldiskutierten "Wahlzuckerln" der diversen Parteien zurückgeht, sondern auf die Reparatur eines Gerichtsurteils, von dem der öffentliche Dienst profitiert.

Mehrmals verurteilt

Österreich wurde nämlich bereits mehrmals vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) verurteilt, weil Vordienstzeiten vor dem 18. Geburtstag nicht bei Gehalt und Vorrückungen von Beamten und Vertragsbediensteten berücksichtigt wurden. In den Jahren 2015 und 2016 beschloss die damals rot-schwarze Regierung zwar ein neues Gesetz, mit dem bestehende Mitarbeiter in ein neues Dienstrecht übergeleitet wurden. Allerdings richtete sich die Einstufung erst recht wieder nach dem alten System. Das Gerichtsurteil wurde also ignoriert. Wenig überraschend entschied der EuGH daher im Mai des aktuellen Jahres wieder, dass Österreich gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoße.

Nun hat das Parlament eine Korrektur vorgenommen, die tatsächlich den Vorgaben des EuGH entsprechen dürfte. Einstimmig – es haben also alle fünf Parlamentsparteien zugestimmt. Alle Zeiten vor dem 18. Geburtstag, also Zeiten als Lehrling beim Bund sowie Schulzeiten ab der zwölften Schulstufe, werden nun für die Berechnung des Gehalts und für Vorrückungen angerechnet. Und zwar rückwirkend. Profitieren werden rund 106.000 öffentlich Bedienstete, zeigt eine Anfrage des Neos-Abgeordneten Gerald Loacker.

Keine öffentliche Debatte mehr

Eine Begutachtung der Änderungen gab es nicht mehr. Die Parteien haben kurzfristig einen Abänderungsantrag zu einer ohnehin geplanten Dienstrechtsnovelle eingebracht. Formuliert wurde dieser übrigens vom Finanzministerium. Das Ressort Müllers, der nun vor den Kosten warnt, hat den Text also selbst erarbeitet. Die Kosten belaufen sich im kommenden Jahr auf 150 Millionen Euro. Für die Jahre 2020 bis 2023 sind es immerhin 420 Millionen Euro.

Mittelfristig noch teurer ist nur die Valorisierung des Pflegegelds, der ebenfalls alle Parteien zugestimmt haben. Sie kostet im ersten Jahr zwar nur 55 Millionen, da es künftig aber eine jährliche Erhöhung gibt, steigen die bisher nichtbudgetierten Kosten von Jahr zu Jahr an – bis 2023 sind es in Summe 575 Millionen Euro.

Finanzpolitische Peanuts

Die sonstigen Beschlüsse, die im freien Spiel der Kräfte beschlossen wurden, fallen eher unter die Kategorie finanzpolitische Peanuts. Das Papamonat kostet jährlich 15 Millionen Euro. Die Entgeltfortzahlung für Freiwillige im Katastrophenfall zehn Millionen. Ebenfalls zehn Millionen Euro sind laut Finanzressort für Verbesserungen beim Nachtschwerarbeitsgesetz veranschlagt. Eine Million Euro ist für die Reduktion von Gerichtsgebühren budgetiert, die künftig halbiert werden, wenn es in der ersten Verhandlung zu einem Vergleich kommt.

Ob im kommenden Jahr ein Budgetüberschuss erwirtschaftet wird, kann aber tatsächlich noch nicht gesagt werden. Die Regierung von Brigitte Bierlein hat nämlich angekündigt, kein Budget für 2020 zu erstellen. Diese Aufgabe wird der neuen Regierung, wie auch immer sie aussehen wird, überlassen. Massiv eingeschränkt wurde der budgetäre Spielraum jedenfalls nicht. Jene 241 Millionen Euro an Ausgaben im Jahr 2020, die bisher nicht eingeplant waren, machen gerade einmal 0,3 Prozent der gesamten Staatsausgaben aus.

Der allergrößte Teil der Kosten, die nun vom Hohen Haus durch Beschlüsse auf den Weg gebracht wurden, nämlich 3,5 Milliarden Euro, waren bereits von der alten türkis-blauen Regierung vereinbart. (Günther Oswald, 4.7.2019)