Der Nationalrat in Sommerpause, da darf man Hoffnung schöpfen, dass auch das Geschwafel von den angeblich allzu großzügig ausgestreuten Wahlzuckerln, die nur das heilige Nulldefizitbudget gefährden, eine kleine Pause macht. Das beliebte Lutschen an diesem Begriff setzt wie ein Pawlow'scher Reflex regelmäßig gegen Ende von Legislaturperioden ein, verbunden mit Untergangsbeschwörungen, die sich zwar noch nie realisiert haben, aber immer aufs Neue zum Nachweis der staatsgefährdenden Rolle der Parteien herhalten sollen. Dieselben Gesetze, am Beginn einer Legislaturperiode beschlossen, würden nach ihrer Nützlich- oder Schädlichkeit für das Allgemeinwohl beurteilt werden. An deren Ende werden sie überwiegend nur noch auf ihren populistischen Süßstoffgehalt abgeschmeckt, unabhängig vom Inhalt.

Den Sitzungssaal des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in der Hofburg.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Am Regierungssystem kann das nicht liegen. Der letzte Wahlzuckerlregen ergoss sich unter den starren Verhältnissen einer rot-schwarzen Koalition über ein gleichgültiges Elektorat, diesmal führte das Glücksspiel der freien Kräfte unter einer gefesselten Regierung zum selben Ergebnis. Die Parteien können es einfach nicht richtig machen, kein Wunder, dass sich Sebastian Kurz, diese Inkarnation eines Wahlzuckerls, in seinen Bemühungen, Österreich in ein seliges Türkistan zu verwandeln, von diesem Parlament ab- und dem normalen Volk zuwendet.

Quicklebendiger Parlamentarismus

Dabei – wem sonst als ihm haben wir diese Zustände zu verdanken? Das freie Spiel der Kräfte im Nationalrat, so oft herbeigesehnt als das ideale Gegenstück zur Tyrannis stabiler Koalitionen, quicklebendiger Parlamentarismus statt Niederwalzen der Opposition – jetzt, da wir dieses Glück erleben dürfen, ist es auch wieder nicht recht. "Die Hölle" sei es, finden etwa die "Salzburger Nachrichten". Es werde alles beschlossen, "wofür sich zufällig eine Mehrheit findet". Wohin soll das noch führen, wenn in einer Demokratie Mehrheiten entscheiden, die zufällig frei statt koalitionär diktiert zustande gekommen sind?

So viel Freiheit, dass Parteien im Nationalrat von ihrem freien Entscheidungsrecht Gebrauch machen, ist auch wieder übertrieben. Schon kommt Sehnsucht auf "nach einer politisch handlungsfähigen Regierung, die den parlamentarischen Flohzirkus wieder einfängt". Unsere so schöne und elegante Verfassung sieht das eigentlich umgekehrt vor, es ist noch immer das Parlament, das einer Regierung den Handlungsspielraum vorgibt. Daran etwas zu ändern, besteht kein Grund, wie immer man die Ergebnisse des jüngsten Spiels der freien Kräfte bewertet. Sie werden Österreich ebenso wenig erschüttern wie die Wahlzuckerln vor den letzten vom Zaun gebrochenen Wahlen.

Im Übrigen, es ist Altbundeskanzler Kurz, der zuletzt mit Fantasien von einer Minderheitsregierung aufgetreten ist. Was auf nichts anderes hinausliefe als auf ein freies Spiel der Kräfte, halt nur nach von ihm gemachten Regeln und mit ihm als Impresario des parlamentarischen Flohzirkus. Wer neulich sogar dem Schöpfer unter die Arme griff, als er zum "Schutz unserer Schöpfung" Wahlzuckerln zum Klimaschutz verteilte, sollte an einer solchen Kleinigkeit nicht scheitern. (Günter Traxler, 4.7.2019)