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DER STANDARD

Fensterläden schützen die Innenräume vor Überhitzung. In Wien sind nicht viele Häuser damit ausgestattet.

Foto: Christian Fischer

In Zürich, Mailand und Marseille werden in dieser Jahreszeit die Fensterläden geschlossen. Auf diese Weise hüllen sie die dahinterliegenden Wohnräume untertags in einen angenehm kühlen Dauerschatten. Nicht so in Österreich, denn hierzulande hat sich nie eine solch konsequente Verschattungskultur auf die regionale Architektur und Stadtplanung niedergeschlagen.

"Das stimmt aber nur bedingt", entgegnet Robert Kniefacz, Dezernatsleiter in der Wiener Magistratsabteilung für Architektur und Stadtgestaltung (MA 19). "Auf historischen Fotos erkennt man gut, dass etliche Ringstraßenbauten zwischen 1850 und 1900 vor den Fenstern in den Obergeschoßen mit teils üppigen Markisen ausgestattet waren. Im Laufe der Zeit ist dieses Wiener Element leider wieder aus dem Stadtbild verschwunden."

Tatsächlich zählt der außenliegende Sonnenschutz zu den sinnvollsten und effektivsten Kühlmaßnahmen im Sommer, denn durch Fensterläden, Rollläden, Jalousien, Markisen und verschiebbare Elemente in der Fassadenebene wird die Sonneneinstrahlung schon vor dem Fenster abgehalten – und nicht erst im Innenraum, wo die Kühlwirkung, sobald die warme Luft in die Wohnung eingedrungen ist, eine deutlich geringere ist. "Was die Bauordnung und den Ortsbildschutz betrifft, sind solche beweglichen Verschattungsmaßnahmen im Einklang mit der Umgebung durchaus machbar", so Kniefacz.

Mobile Elemente

Ein Beispiel sind die Wohnprojekte des Wiener Architekturbüros Königlarch. Diese werden Standardmäßig mit falt- oder schiebbaren Schattenspendern ausgestattet. Als Material eignen sich UV-, wind- und witterungsbeständige Baustoffe wie etwa Holzlatten, Lochblech oder Aluminiumlamellen. "In der Regel bringen wir die mobilen Elemente vor den Balkonen und Loggien an, womit die Bewohner nicht nur eine kühlere Wohnung, sondern auch einen ebenso verschatteten Freiraum haben", erklärt Architektin Claudia König.

Eine effiziente Alternative dazu sind fix installierte Verschattungselemente wie etwa Gesimse, Vordächer oder andere auskragende bauliche Elemente, die bei sommerlichem Sonnenstand die Fenster verschatten, während die tiefer stehende Wintersonne meist ungehindert in den Raum dringen kann. "Es müssen ja nicht immer umlaufende Balkonplatten sein", so Kniefacz, MA 19. "Zulässig ist jede Form der Fassadengliederung im Ausmaß von 60 bis 80 Zentimeter Tiefe – abhängig von der jeweiligen Straßenbreite. Allerdings verursacht das nicht nur höhere Baukosten, sondern auch finanzielle Gebrauchsabgaben, die viele Bauträger und Investoren nicht bereit sind zu zahlen."

Flora als Beschattung

Eine der schönsten und zugleich billigsten Verschattungsmaßen ist immer noch die Flora. Kletterpflanzen und gepflegte, regelmäßig bewässerte Tröge vor den Fenstern sorgen nicht nur für Schatten, sondern auch für ein angenehmes Mikroklima. "Der niedrige Preis ist aber auch der größte Hemmschuh dieser Variante", meint die niederländische Stadtplanerin Helga Fassbinder. Ihrer Initiative ist das aktuell in Bau befindliche Wohnprojekt Biotope-City am Wienerberg zu verdanken. "Grün ist ein billiger Baustoff, der keine starke Lobby hat. Daher wird die Natur von der Bauindustrie gerne totgeschwiegen." Wermutstropfen: Das ganze Schattenwissen nützt am Ende freilich nur wenig, wenn die Bürobauer auf der ganzen Welt unbeirrt an ihren Ganzglasfassaden festhalten. (Wojciech Czaja, 5.7.2019)