Die Verteidiger Arthur Machac, Peter Philipp und Staatsanwältin Anna Weißenböck kurz vor Prozessbeginn in Korneuburg.

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Korneuburg – "Erstens: Es ist nichts Schreckliches passiert, Sie haben etwas Schreckliches getan. Und 'nicht schön' ist eine Untertreibung, wenn man sich die Tatortbilder anschaut", korrigiert Vorsitzender Martin Bodner an einer Stelle den Angeklagten Johann Anton G. in dessen Prozess vor einem Geschworenengericht in Korneuburg. Staatsanwältin Anna Weißenböck wirft dem 55-Jährigen dreifachen Mord vor, nachdem er eingestandenerweise am 13. Dezember seinen Vater, seine Stiefmutter und seinen Bruder mit einem Schrotgewehr erschossen hat.

Sorgt ein Dreifachmord per se schon für öffentliches Interesse, spielt in diesem Fall eine wesentliche Rolle, dass das im April 1919 kundgemachte Adelsaufhebungsgesetz sich vielleicht doch nicht so richtig durchgesetzt hat. Denn der Tatort war ein Schloss der Familie in einer kleinen Weinviertler Gemeinde, die Familienangehörigen wurden im Ort "Graf" und "Gräfin" genannt, selbst die Anklägerin verweist im Eröffnungsvortrag darauf, dass die weitverzweigte Familie G. "ein aus Portugal stammendes Adelsgeschlecht" sei.

"Hassliebe" zu 92-jährigem Vater

Wie sich im Prozessverlauf zeigt, sind die sogenannten "besseren Kreise" aber auch nur Menschen. Die Hassliebe zu seinem 92 Jahre alten Vater sei der eigentliche Hintergrund für die Tötung, versucht Peter Philipp, der gemeinsam mit Arthur Machac G. verteidigt, die Laienrichter zu überzeugen. Es handle sich also nicht um den angeklagten Dreifachmord, sondern um Totschlag, zu dem sich der Angeklagte auch schuldig bekennt.

Seit 20 Jahren sei er gemeinsam mit dem Bruder Geschäftsführer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gewesen, der im Eigentum der Familienstiftung stand, erzählt er zu seinem beruflichen Werdegang. Zwei Versuche, mit eigenen Firmen zu reüssieren, waren davor gescheitert. Er habe sich zuletzt vor allem um die Renovierung und Vermietung von Nebengebäuden des Schlosses gekümmert, dabei sei es immer wieder zu Konflikten mit dem Patriarchen gekommen.

Fehlende Baubewilligungen

Der habe es nach Gutsherrenart nicht für notwendig befunden, Baugenehmigungen einzuholen oder Denkmalschutzauflagen zu befolgen, behauptet der Angeklagte. Immer wieder sei der Vater mit der Gemeinde und anderen Behörden im Clinch gelegen, "ich habe es dann planieren müssen". Es sei überhaupt so gewesen: Gab es Probleme, trug aus Sicht des Vaters er die Verantwortung, gab es Erfolge, verbuchte sie der Vater für sich selbst. "Der Vater hat meine Leistungen nie gewürdigt", stößt G. einmal hervor und bricht in Tränen aus. Den Bruder habe er dagegen geliebt, beteuert er, die Stiefmutter sei ihm egal gewesen.

Am Tattag haben er und die drei Opfer wie öfters im Speisesaal das von der Haushälterin servierte Mittagessen zu sich genommen, danach wechselte man routinemäßig ins Kaminzimmer, um Kaffee und Kuchen zu sich zu nehmen und Geschäftliches zu besprechen.

Diesmal ging es um den Speisenaufzug, den der Vater in den denkmalgeschützten Mauern des Schlosses einbauen hatte lassen, obwohl noch nicht alle Bewilligungen da waren. G. hatte nach seiner Darstellung dem Vater einen Briefentwurf übermittelt, in dem der Baubeginn auf den 17. Dezember datiert wurde – der Vater war mit dem Entwurf nicht einverstanden, es kam zum Streit.

"Ich muss alle drei erschießen"

Plötzlich ging es angeblich nicht mehr nur um den Lift, sondern auch um die Kinderlosigkeit von G. und die Berufstätigkeit seiner Gattin. Auch Stiefmutter und Bruder mischten sich in die Diskussion ein. "Es ist immer mehr und mehr geworden, mir ist alles zu viel geworden", sagt der Angeklagte nun. Dann sei ihm der Gedanke gekommen: "Ich muss alle drei erschießen." Er verließ das Kaminzimmer, holte aus dem Waffenschrank im "Telefonzimmer" eine zweiläufige Bockflinte, lud sie, steckte einige Patronen ein und ging wieder nach oben.

Zuerst erschoss G. seinen 52 Jahre alten Bruder, dann den Vater und schließlich die gehbehinderte 87-jährige Stiefmutter, dazwischen lud er zweimal nach. "Man könnte die Reihenfolge auch logisch interpretieren – Sie haben zuerst den gefährlichsten Gegner getötet und die, von der am wenigsten Gegen wehr zu erwarten ist, am Ende", hält ihm Vorsitzender Bodner vor. Der Angeklagte bestreitet das, er habe seinen Broder als Erstes erschossen, da der am nähesten bei der Tür saß.

"Logisch nicht zu erklären"

Er habe "einfach Schluss machen wollen", argumentiert der Angeklagte. "Da hätte es ja gereicht, den Raum zu verlassen. Aber Sie sind ja wieder zurückgekommen", kontert Bodner. "Es ist logisch nicht zu erklären", sagt G. mit leiser Stimme.

Er und seine Verteidiger bieten aber eine andere Erklärung: Nach einem lebensgefährlichen Aortariss im August 2017, nach dem er zehn Minuten reanimiert werden musste, habe sich seine Persönlichkeit verändert. "Das hat auch meine Frau gemerkt. Ich war schneller reizbar, wegen Nichtigkeiten. Ich habe sie angeschrien, wenn sie beim Einkaufen keine Bananen oder kein Joghurt gekauft hat."

Für Verteidiger Philipp ist klar, dass die von einem psychiatrischen Sachverständigen festgestellte Zurechnungsfähigkeit seines Mandanten zum Tatzeitpunkt "sehr, sehr eingeschränkt" gewesen sei. "Es ist zu einer Art Explosion gekommen", ist der Jurist überzeugt.

Stiftungsbegünstigte in Haft geändert

Ein eher zwielichtiges Bild ergibt G.s Antwort auf die Frage des Privatbeteiligtenvertreters für die Familienstiftung. Wie sich herausstellt, hat der Angeklagte als letzter überlebender Stifter nämlich im Mai im Gefängnis die Begünstigten ändern lassen – auf sich und seine Ehefrau.

Ein Urteil wird für Freitag erwartet. (Michael Möseneder, 4.7.2019)