UN-Menschenrechtskommissarin Bachelet stellt ihren Bericht zu Venezuela vor.

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Caracas/Genf – UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet hat Venezuela schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Sie gehe davon aus, dass es in Venezuela in den vergangenen Jahren tausende außergerichtliche Hinrichtungen gegeben habe, erklärte Bachelet. In einem neuen Bericht über die Menschenrechtslage in Venezuela macht sie die Sonderpolizei FAES für die Exekutionen verantwortlich und fordert die Regierung in Caracas zur Auflösung der Truppe auf. Die venezolanische Regierung wies den Bericht wegen angeblicher "Fehler" und "Ungenauigkeiten" zurück.

Die Zahl der mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen in den vergangenen Jahren sei "schockierend hoch", erklärte Bachelet. Am Freitag wollte sie ihren Venezuela-Bericht, der auf ihrem Besuch im Land Ende Juni basiert, vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf vorstellen.

5.200 Getötete allein 2018

Allein im Jahr 2018 waren in Venezuela nach offiziellen Angaben bei Polizeieinsätzen mehr als 5.200 Menschen getötet worden, die "Widerstand gegen die Staatsgewalt" geleistet hätten. Zwischen Jänner und Mai dieses Jahres wurden 1.569 weitere ähnliche Fälle bekanntgegeben.

Der Verdacht sei begründet, "dass diese Tötungen als außergerichtliche Hinrichtungen von Sondereinsatzkräften zu bewerten sind", erklärte Bachelet. Die Regierung in Caracas müsse die Sonderpolizei FAES auflösen und eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Hinrichtungen einleiten. Die Täter müssten zur Verantwortung gezogen und die Opfer entschädigt werden.

Politische Diskriminierung und willkürliche Verhaftungen

Bachelets Bericht dokumentiert außerdem eine Vielzahl weiterer Menschenrechtsverletzungen in dem südamerikanischen Land. Laut dem Bericht kommt es etwa bei der Vergabe sozialer Leistungen zu politischer Diskriminierung. Sozialprogramme würden als "Instrument sozialer Kontrolle" missbraucht.

Der Bericht bezieht sich auf die vergangenen zehn Jahre in Venezuela. Vor allem seit 2016 habe die Regierung eine Strategie implementiert, die auf die "Neutralisierung, Unterdrückung und Kriminalisierung" von politischen Gegnern und Regierungskritikern abziele. Bis Mai dieses Jahres seien in Venezuela 793 Menschen willkürlich inhaftiert gewesen.

Untersuchungskommission gefordert

"Die Maduro-Regierung muss sofort Schritte zur Beendigung der Menschenrechtsverletzungen und der Verbrechen in Venezuela setzen", forderte die Amnesty-International-Direktorin für Nord- und Südamerika, Erika Guevara-Rosas, am Freitag. Maduros Regierung könne "die massiven und systematischen Verletzungen der Menschenrechte, die unter seiner Präsidentschaft begangen wurden, nicht mehr verstecken". Sie forderte die sofortige Einrichtung einer Untersuchungskommission unter Aufsicht des UN-Menschenrechtsrats, um die "ernsten Verletzungen der Menschenrechte und die Verbrechen, die in Venezuela begangen werden, genau zu untersuchen".

Venezuela befindet sich seit Jahren in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. Seit Monaten liefern sich Präsident Nicolás Maduro und Oppositionsführer Juan Guaidó einen erbitterten Machtkampf. Ende April war ein Putschversuch von Teilen der Streitkräfte gegen Maduro gescheitert. Der umstrittene Staatschef kann nach wie vor auf den Rückhalt der Militärführung zählen und wird unter anderem von Russland unterstützt. Guaidó hatte sich am 23. Jänner zum Übergangspräsidenten erklärt. Etwa 50 Staaten, darunter Österreich, Deutschland und die USA, haben ihn anerkannt. (APA, 5.7.2019)