Redesigns von Websites sorgen häufig für Verwirrung und Unmut.

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Große Designumstellungen von Benutzeroberflächen haben meist unterschiedliche Ziele: Eine Website soll moderner wirken, Apps sollen leichter zu bedienen sein – oder Onlineshops sollen besser performen. Auch wenn Interfaceveränderungen vorrangig für Nutzer alles besser machen sollen, beliebt sind sie bei ihnen in den meisten Fällen nicht.

Gestalterische Updates von populären Applikationen und Internetseiten haben schon oft für Rumoren im Netz gesorgt. Ein gründliches Redesign der Bildmessaging-App Snapchat stieß letztes Jahr auf starken Widerstand – mehr als 1.250.000 Nutzerinnen und Nutzer beteiligten sich an einer Petition, die die Rückkehr zum ursprünglichen Design forderte. Auch die versehentliche Umstellung Instagrams von einem vertikalen Feed in eine horizontale Wischgalerie sorgte für Entsetzen. Doch mögen Nutzer Veränderungen per se nicht, oder liegt es an der Art der Veränderungen? DER STANDARD hat mit Benedikt Salzbrunn, dem Leiter des Masterlehrgangs User Experience Management an der FH Technikum Wien, gesprochen.

Veränderung muss sein: Auch beim Aussehen von Instagram hat sich einiges getan.
Foto: Instagram

Der Mensch, das "Gewohnheitstier"

Mit einer ersten Verunsicherung müsse man bei jeder großen Umstellung rechnen, so Salzbrunn. "Im Grunde ist es schon so, dass wir einfach Gewohnheitstiere sind", meint er. Automatisierte Abläufe, die sich User nach häufigem Benutzen von Apps und Websites aneignen, seien der Grund für die erste Verwirrung, die bei der Einführung eines neuen Interfaces aufkommt. "Der Nutzer befindet sich in einem Fluss aus klicke hier und klicke da, den er nach langem Verwenden nicht mehr hinterfragt. Auch wenn dieser Ablauf holprig ist, wenn dieser Fluss dann auf einmal geändert werden sollte, dann wundert er sich auf jeden Fall einmal", so Salzbrunn in einem Gespräch mit dem STANDARD.

Dieser erste Moment, in dem der Nutzer auf die Veränderung aufmerksam wird, sei essenziell für die Akzeptanz der User und dafür, wie schnell Redesigns aufgenommen werden. Im Idealfall sollte der Nutzer Schritt für Schritt und live am Screen an Umstellungen herangeführt werden, um eine sanfte Umgewöhnung zu ermöglichen, rät Salzbrunn.

Fast nach jedem großen Interfaceupdate sind rasch Tutorials zu finden, die erklären, wie man alles rückgängig machen kann.
Regal

Veränderung ist gut, aber nicht immer die richtige Wahl

Sind Umstellungen einmal vorgestellt, komme es dann zum spannenden Moment, in dem die Qualität der Verbesserung durch die Nutzer auf die Probe gestellt wird. Es gebe nämlich durchaus Veränderungen, die aus Nutzersicht nicht nachvollziehbar seien, so Salzbrunn. Dies sei meist der Fall, wenn Verbesserungsversuche nicht ausreichend getestet wurden oder nicht im Sinne der Benutzer funktionierten. Neben der generellen Scheue vor Veränderungen sei das für Salzbrunn der springende Punkt, der dazu führe, dass bestimmte Veränderungen nicht akzeptiert und schlichtweg als "schlecht" identifiziert werden.

Ein berühmtes Beispiel für misslungene Einschätzungen beim Umstyling von Benutzeroberflächen ist das Weglassen des Startbuttons und des Startmenüs in der ersten Version von Windows 8. "Da war man der irrigen Annahme, dass es auch ohne diesen Knopf funktionieren würde, wenn man nur breit genug ausrollt, dass die Leute doch sicher auch ein ganz anderes Konzept verfolgen werden", merkt Salzbrunn an. Nach hagelnder Kritik und schlechten Verkaufszahlen stellte sich jedoch heraus, dass die Nutzer die Veränderung nicht akzeptierten, und mit Windows 8.1 wurde der Startknopf wieder eingeführt.

Windows-8-Experiment ohne Startbutton ging nach hinten los. Mit Windows 8.1 kam der Startbutton wieder zurück.
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Gründliche Vorbereitungen und richtiger Umgang mit Kritik

Auf welche Art und Weise App- und Websitebetreiber negatives Feedback zu Neuerungen zu spüren bekommen, hängt von der Stärke der Community ab. "Führe ich falsche Verbesserungen am Interface eines Shops durch, werde ich das an den Verkaufszahlen spüren, bei einer Website, die auf Werbeeinnahmen baut, spüre ich es, wenn die Besucherzahlen wegfallen", so Salzbrunn. Besonders wegen der typischen, anfänglichen Aufruhr, die fast immer bei großen Veränderungen von lange genutzten Interfaces anzutreffen ist, müsse daher intern aufseiten der Betreiber gewichtet werden.

Sowohl während der Vorbereitung eines Relaunchs als auch bei der Schadensbegrenzung eines misslungenen Interfaceupdates sind weitreichende Tests und stetiger Kontakt mit den Usern ausschlaggebend. "Support-Anfragen, Reviews, Benutzer-Interviews und Fehlermeldungen der Nutzer sind immer eine gute Quelle, um festzustellen, woran die User scheitern. Manchmal sind es auch nur Missverständnisse, etwa Funktionen, die schon existieren, aber aufgrund von mangelnder Information von Benutzern nicht gefunden werden." (Tiana Hsu, 16.7.2019)