Die 18-jährige Modeschülerin Lena Schilling hat ihre Urlaubspläne für heuer kurzerhand auf Eis gelegt. Lobbying für eine andere Klimapolitik ist ihr wichtiger: "Die nächste Regierung ist die letzte, die noch etwas verändern kann", sagt sie. Und: "Viele von uns bleiben deswegen in Wien – oder in Österreich." Mit "uns" meint sie die Kinder und Jugendlichen, die seit Monaten freitags streiken, statt in die Schule zu gehen.

"... weil ihr uns die Zukunft klaut"

Die Bilder der Klimastreiks gingen um die Welt: Schüler in Berlin am Brandenburger Tor, Schüler in Stockholm vor dem Parlament und Schüler in Wien auf dem Heldenplatz. "Wir sind hier, wir sind laut – weil man uns die Zukunft klaut" und andere Sprüche hallte es von den Plätzen.

Freitags hieß es am Wiener Heldenplatz seit vielen Wochen: Demo statt Schule.
Foto: LEONHARD FOEGER

Nun haben alle Schüler Österreichs Sommerferien – ein Schulstreik ist also gar nicht möglich. Heißt das, dass sich die Klimakids eine Pause gönnen und sich auf einen heißen Herbst vorbereiten? Und: Werfen sie ihre öffentlich kundgetanen Prinzipien über Bord und steigen für den Urlaub in den Billigflieger?

Der STANDARD hat Aktivisten und Sympathisanten zu ihren Sommerplänen befragt.

Lobbying statt Urlaub

Was viele Kinder und Jugend liche zuallererst betonen: Es gibt keine Sommerpause. In Wien werden die Schulstreiks im Sommer nur verlegt. Bisher wurde in der Innenstadt demonstriert, nun will man jeden Freitag in einem anderen Bezirk auf die Straße gehen, vergangene Woche etwa am Reumannplatz in Favoriten, kommende Woche, am Abend statt wie sonst üblich am Vormittag, auf dem Yppenplatz in Ottakring. Einerseits, weil Demoteilnehmer in der großen Hitze der vergangenen Wochen auf dem Heldenplatz immer wieder kollabierten, andererseits, um Kritik entgegenzutreten.

Wo und wann im Sommer Aktionen von Fridays for Future geplant sind.
Foto: Standard

"Manche sagten: ‚Da sehen euch ohnehin nur Touristen‘", sagt Katharina Rogenhofer von Fridays for Future Österreich, seit kurzem auch Neo-Chefin des österreichischen Klimavolksbegehrens. Dar um wolle man in Zukunft auch die Leute abholen, die eben nicht auf dem Heldenplatz sind.

Bei der Modeschülerin Schilling hat das Engagement für Fridays for Future in den vergangenen Monaten Spuren hinterlassen, die Gruppe ist ein wichtiger Teil ihres Lebens geworden. Der Einsatz für das Klima gehe bei ihr mittlerweile über den Streik hin aus. Schilling maturiert kommendes Jahr und verbringt einen Großteil ihrer Ferien in Kärnten, wo sie ein Praktikum absolviert. "Ich arbeite hier an einem Haus aus Lehmbausteinen. In jedem Baustein sind fünf PET-Falschen die nicht recycelt werden können." Die Arbeit werde sie das ganze Schuljahr begleiten, weil sie dar über auch ihre Abschlussarbeit schreiben wird. Und: Sie will Großkonzerne dafür in die Verantwortung nehmen, dass sie "ihre nicht recycelbaren Flaschen sinnvoll verwerten."

Wünsche an die Politik

Im Urlaub geflogen wäre Schilling ohnehin nicht. Sie setzt sich bei Lehrern dafür ein, Sprach reisen nur noch mit dem Zug zu bestreiten. "In meiner Klasse hat das leider nicht geklappt, aber es gibt bereits positive Beispiele." Von der Politik wünscht sie sich zur Urlaubsplanung zwei Dinge: eine Kerosinsteuer und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Viele der Aktivisten wünschen sich langfristige politische Lösungen.
Foto: Imago/Skata

In Max Luszczak hat Schilling einen Mitstreiter. Für ihn werden, so sagt er, die Klimademos ein fixer Bestandteil des Sommers sein. Der 16-jährige Klimaaktivist fliegt ebenfalls nicht in den Urlaub, sondern fährt mit der Familie nach Kroatien – im Auto. Fliegen war bei ihm in der Familie schon immer ein No-Go, "aus klimatechnischen Gründen", sagt er. Er sei erst zweimal in seinem Leben geflogen, da ließ es sich nicht vermeiden, weil es mit der Schule auf eine Insel ging. Luszczak kommt im Herbst in die dritte Klasse einer Bildungsanstalt für Elementarpädagogik.

Er fordert wie Schilling eine politische Lösung, "denn wenn eine Reise von Wien nach London mit dem Flugzeug günstiger ist, als von Wien nach Graz zu fahren, ist klar, dass viele Leute Flugreisen buchen. Der Verzicht einzelner Leute ändert nicht viel. Wir brauchen die Politik."

Gespräche mit der Politik

An genau dieser politischen Lösung arbeitet Fridays for Future aktuell. Durch Lobbying will man erreichen, dass der nationale Klimanotstand ausgerufen wird. In mehreren Runden hätten sie mit Vertretern von FPÖ, SPÖ, Neos, ÖVP und Liste Jetzt an einem unverbindlichen Entschließungsantrag gefeilt, sagt Sprecher Johannes Stangl. Der Antrag wurde am Dienstag von vier der fünf Parteien – die FPÖ fehlte – eingebracht. Mit dem Antrag wird die Bundesregierung dazu aufgerufen, den Klimanotstand zu verkünden.

Momentan ganz oben auf der Agenda: Die Ausrufung des Klimanotstandes.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Der Vierparteienantrag soll die Kehrtwende in der Klima- und Umweltpolitik einleiten, hoffen die Aktivisten von Fridays for Future. Prompt folgten NGOs und Interessenvertreter, noch am selben Tag forderten der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) und Global 2000 via Aussen dungen Taten statt Worten. "Der Notstand besteht, weil nicht gehandelt wird: Für die nächsten Monate und Jahre gibt es keinerlei politische Maßnahmen, keinen Beschluss und keine Zielsetzungen", sagte Florian Maringer, Geschäftsführer der EEÖ. Er fordert eine Sondersitzung des Nationalrats im Juli, bei der entsprechende Beschlüsse gefasst werden.

Purer Öko-Aktionismus?

Doch nicht alle Klimakids folgen Fridays for Future durch den Sommer. Mati Randow war bei den Schülerstreiks am Start, sogar im Organisationsteam von Fridays for Future Wien. Mittlerweile hat er dieses aber aus "persönlichen Differenzen" verlassen. "Es sind viele Erwachsene und Studierende im Organisationsteam", sagt der 15-Jährige. Dass im Sommer weitergestreikt wird, zeige, dass es diese Erwachsenen nicht verstanden haben. "Das ist eine Demo, wenn keine Schule ist, können wir nicht streiken", sagt er.

Die Bewegung würde immer mehr zu Öko-Aktionismus. "Das gibt es seit Jahrzehnten, und wir stehen noch immer vor demselben Problem", sagt er. Fridays for Future ver komme zur Lifestyle-Bewegung, die Leute anspreche, denen das Thema bereits "in die Wiege" gelegt wurde, findet der Schüler von der Wiener Rahlgasse. Im September will er dennoch wieder mitstreiken – die Ziele unterstützt er ja doch weiterhin.

Mati Randow hat nicht nur positives über die Gruppe zu sagen, unterstützt das Anliegen aber weiterhin.
Foto: Urban

Das Schuljahr hat Randow mit einer schlechteren Betragensnote wegen unentschuldigten Fehlens beendet. Im Sommer will er nach einem Praktikum nach Brüssel reisen. Er fährt mit dem Zug über Deutschland und mit seiner Mama. "Vielleicht fahren wir auch nach Paris. Die Tickets sind nicht so teuer, und es geht ganz schnell."

Vorbild Greta

Auch wesentlich jüngere Mitstreiter gibt es, die sich Gedanken über die Reiseplanung machen: Benjamin ist neun, in der Schule lernte er vom Klimawandel. Das Wissen fasst er kompakt zusammen: "Die Abgase bleiben in der Ozonschicht hängen, darum kommen Sonnenstrahlen rein, aber nicht raus. Dann wird die Erde immer heißer, zu heiß." Wie wichtig das Thema ist, wurde ihm bewusst, als er hörte, dass Schüler auf die Straße gehen, um dafür zu kämpfen. Und als er von Greta Thunberg, der jungen Schwedin, die die Streiks losbrach, hörte. "Ich hätte nie gedacht, dass ein Teenager so viel erreichen kann", sagt er – auch wenn er bei den Streiks fürs Klima selbst nicht mitgeht.

Für viele, die sich engagieren, das große Vorbild: Die Schwedin Greta Thunberg bei ihrem Besuch in Wien.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Dass er sich nun mit Umwelt beschäftigt, hat ihn verändert, sagt der Neunjährige. Früher sei er geflogen, es machte ihm Spaß. Aber seit er weiß, wie sich das auf das Klima auswirkt, versuche er, nicht mehr zu fliegen. Gerade ist er auf Urlaub in Kärnten – da ist er mit dem Auto hingekommen. Das hat ihn gestört. Benjamin versucht, den Erwachsenen in seinem Umfeld klarzumachen, dass sie weniger Auto fahren sollen, er selbst geht zu Fuß zur Schule. Aber so richtig verstehen tun sie ihn nicht: "Die ticken nicht so wie ich, denen ist das weniger wichtig.", sagt er.

Pläne für den Herbst

Und nach dem Sommer? Da soll der Streik ausgeweitet werden. Galionsfigur Greta Thunberg rief zum globalen Generalstreik auf, die Schulstreiker in Österreich sind mitten in der Organisation. Am 27. September soll auch die arbeitende Bevölkerung eingebunden werden. Man sei dazu bereits in ersten Gesprächen mit Gewerkschaften. Das Ziel: alle auf die Straße zu bringen. (Gabriele Scherndl, Oona Kroisleitner, Lara Hagen, 6.7.2019)