Walter Lübcke wurde am 2. Juni erschossen. Auf einer Pegida-Demo in Dresden war man darüber wenig entsetzt, wie ein Beitrag des Magazins "Kontraste" zeigt.

Foto: APA/AFP/POOL/SWEN PFORTNER

Dresden – Seit Wochen spricht Deutschland über den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, viele Politiker haben sich dafür ausgesprochen, nun innezuhalten und konkrete Schritte gegen rechte Gewalt auszuarbeiten. Tatverdächtig ist immerhin ein Mann aus der deutschen Neonaziszene, der Lübcke als Rache für dessen Standpunkte zur Migration umgebracht haben soll. Der ermordete CDU-Politiker war schon seit 2015 immer wieder Ziel von verbalen Angriffen rechter Gruppen geworden. Dass die Behörden ihn auch nach der Mordwelle der rechten NSU nicht besser schützen konnten, ruft bei vielen große Bedenken hervor.

Nicht überall aber haben die Geschehnisse dazu geführt, die eigenen Standpunkte zu hinterfragen. Für Aufsehen sorgte am Donnerstag ein Bericht des ARD-Magazins "Kontraste", das zu einer Versammlung der Pegida in Dresden fuhr und dort Demonstranten nach dem Mord an Lübcke fragte. Die rechte Bewegung hatte immer wieder Lübcke angegriffen. Gibt es nun Bedauern? "Nö, bedauern tu ich den nicht", sagt einer zum Mord. "Aber ich tät's nicht machen." Dennoch: Lübcke sei für ihn ein "Volksverräter" gewesen.

"Jeder hat Verantwortung, man muss damit umgehen", sagt ein anderer zum Mord. "Ich hab auch ein Geschäft, mich bedauert auch keiner, wenn es schlechtläuft." Aber es gehe doch um Mord. Antwort: "Jo." Ein anderer Demonstrant bezeichnet den Mord gar als "bald eine menschliche Reaktion". Wie es in den Wald reingerufen werde, so schalle es eben auch wieder heraus. Immerhin: "Jeder is anders – ich tät es nicht machen."

Vielfach wird auch Angela Merkel für die Gewalt verantwortlich gemacht, ihre Politik habe den rechten Hass erst entstehen lassen, so die Anhänger der rechten Bewegung. Vielfach wird zudem ausgewichen. "Im Vergleich zur linksextremen Gefahr ist ein Mord, was weiß ich, alle zwei, drei Jahre aus irgendwelchen Hassgründen relativ normal."

Rechtliches Nachspiel

Den Demonstranten drohen nun möglicherweise strafrechtliche Konsequenzen: Die Staatsanwaltschaft Dresden hat ein Verfahren gegen Unbekannt wegen Billigung von Straftaten eingeleitet, wie der "Tagesspiegel" unter Berufung auf den Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden berichtete. Ob noch weitere Straftatbestände in Frage kommen – etwa Volksverhetzung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener – werde derzeit geprüft.

Der "Kontraste"-Beitrag sorgte bei zahlreichen deutschen Politikern für Entsetzen und Empörung. "In was für Zeiten leben wir, in denen vor laufender Kamera offen ein Mord gutgeheißen wird?" fragte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet auf Twitter. "Man erschaudert vor diesen Abgründen."

"Eine Minute, in der es einem kalt den Rücken runterläuft", schrieb der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz zu der Kurzversion des "Kontraste"-Beitrags.

"Die Pegida Leute können einem wirklich Angst machen. Menschen, die über einen ermordeten demokratischen Politiker wie Lübcke schadenfroh Spott absondern, sind zu allem fähig", twitterte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach.

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war am 2. Juni auf der Terrasse seines Privathauses erschossen worden. Kurz darauf wurde der Rechtsextreme Stephan E. (45) festgenommen, der erklärte, er habe Lübcke aus Wut über dessen Einsatz für Flüchtlinge getötet. Am Dienstag hat E. sein Geständnis widerrufen. Sein Anwalt Frank Hanning hat laut "Sächsischer Zeitung" die Gründungsversammlung von Pegida geleitet und eine Zeitlang den Förderverein beraten. (mesc, maa, 5.7.2019)