Rechtsanwältin Karin Prutsch (Mitte) mit ihren Klientinnen.

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Schladming/Graz – Drei Hebammen und ein Gynäkologe sowie das Diakonissenkrankenhaus (DKH) Schladming als Verband müssen sich vor Gericht verantworten. Ihnen werden grob fahrlässige Tötung sowie fahrlässige schwere Körperverletzung vorgeworfen. Bei einem Pressegespräch am Donnerstag in Graz haben vier der betroffenen Frauen unter Tränen mit ihrer Anwältin Karin Prutsch von ihren Geburten öffentlich erzählt.

Die Anklage wirft einer Hebamme im Detail vor, im Juli 2014 den Tod eines Babys verursacht zu haben. Die kleine Gloria der Steirerin Marion B. kam im Juli 2014 in Schladming zur Welt. Es war das zweite Kind der Mutter, und "es ging mir von Anfang an mit den Wehen nicht gut", schilderte sie vor Medien. Der Hebamme wird vorgeworfen, dass sie den diensthabenden Gynäkologen zu spät gerufen hat. Als er eintraf, war Gloria bereits fast eine Stunde nicht mehr am Leben. "Unsere Tochter ist tot", schluchzte Marion B. "Wir brauchen das Geld nicht, aber so geht es nicht", lautete ihr Appell an das DKH.

Vergleich mit Spital

Prutsch unterstrich, dass beim Ablauf der Geburt von Gloria "vieles nicht eingehalten wurde". Bei einem Zivilprozess seien die Gutachten so eindeutig gewesen, dass das DKH schließlich einen Vergleich anbot. Marion B. erhielt 35.000 Euro. Sie wird sich daher im Strafprozess nicht mehr anschließen.

Auch Stefanie Z. nicht, deren Tochter bei der Geburt im Jahr 2010 in Schladming schwere gesundheitliche Schäden mangels Sauerstoff davontrug. Sie hat ebenfalls bereits einen Vergleich mit dem Spital geschlossen und vorerst 460.000 Euro erhalten. Ihre Vanessa ist heute neun Jahre alt und hat Pflegestufe 7: "Sie kann nicht selbstständig essen, gehen und greifen. Sie kann nicht reden und hat Epilepsie. Wir werden von ihr nie 'Mama' oder 'Papa' hören", schilderte Stefanie Z.

Kein Arzt

Die Geburt von Vanessa wurde in Schladming ebenfalls nur in Anwesenheit einer Hebamme über die Bühne gebracht. "Diese wirkte überfordert. Meine Schwiegermutter, sie ist vierfache Mutter, war dabei und hat gleich gesagt, dass ihr die Geburt suspekt vorkam." Das Baby sei blau angelaufen und Stefanie Z. schlaff auf die Brust gelegt worden: "Wie ein nasser Fetzen."

Die Blutwerte passten gleich nach der Geburt nicht, und trotzdem sei erst acht Stunden danach der Neugeborenendienst gekommen und Mutter und Kind ins Spital nach Leoben gebracht worden. Die Kleine hatte epileptische Krampfanfälle, die Ärzte hätten sofort zu ihr gesagt, dass sie nie laufen oder sprechen wird können. "Ich dachte immer, es war Zufall, aber als ich vom Schicksal von Marion in der Zeitung las, haben wir uns auch gemeldet."

Alle drei angeklagten Hebammen werden beschuldigt, zu spät den Facharzt gerufen zu haben. Im Fall von Bianca F., die 2011 ihr Kind zur Welt brachte, setzte sogar die Hebamme den Dammschnitt. "Der Kreissaal war eine Blutlache", so die Mutter, denn die Geburtshelferin hatte ein größeres Blutgefäß durchschnitten und weder eine Klemme gesetzt noch eine Naht gemacht, um die Blutung zu stoppen. Nachdem ein Helfer das Baby aus Bianca F. "herausgedrückt" habe, verlor sie das Bewusstsein. Drei Tage danach konnte sie immer noch nicht selbst aufstehen. "Ich habe mich nie erholt", sagte sie unter Tränen vor den Medien. Die Hebamme habe ihr gesagt: "Kinderkriegen ist eben so."

Auch Gynäkologe angeklagt

Angeklagt ist auch ein Gynäkologe: Er soll die Verabreichung von Blutkonserven unterlassen haben und in einem anderen Fall Plazentateile im Körper der Patientin gelassen haben. Dieser Fall betrifft Claudia K.: "Ich war mit 38 spätgebärend, fühlte mich aber durch die Vorbereitungskurse des Spitals gut aufgehoben." Als sie dann mit Wehen ins Spital kam, sei eine Hebamme da gewesen, die gerade eine andere Geburt durchführte. Eine weitere Frau wartete bereits mit Wehen, und kurz nachdem es bei ihr losging, sei schon die nächste Schwangere mit Wehen eingetroffen. Das alles passierte bereits nach dem Tod von Gloria, es habe sich nach Meinung der Frauen und der Anwältin nichts geändert.

"Es war eine Hebamme für zwei zeitgleiche Geburten da, und der Gynäkologe war nicht erreichbar", schilderte Claudia K. Sie brachte ihr Kind im Wasser zur Welt, doch die Plazenta löste sich nicht, dann habe sich doch etwas gelöst, aber es passte nicht, und sie hatte einen Blutsturz. Sie verlor viel Blut und lag dann in der Intensivstation. "In puncto Überforderung und Personalmangel ging da alles schief", ist sie überzeugt.

Laut Prutsch sei nun zwar der Strafantrag da, aber der Richter in Leoben habe in jedem der Sachverhalte medizinische Gutachten beauftragt. Eine Verhandlung dürfte daher wohl erst 2020 stattfinden. Die Anwältin vertritt insgesamt fünf Frauen, wobei sie zwei bereits im Zivilprozess begleitet hatte. Die anderen wollen sich vorerst nur dem Strafverfahren anschließen und dann eventuell einen Zivilprozess anstreben.

Spital will Aufklärung

Das DKH teilte am Donnerstag in einer Aussendung mit, dass man "weiterhin um lückenlose Klärung der geburtshilflichen Fälle aus den Jahren 2010 bis 2014 bemüht" sei. Sie betonten, dass in sechs Fällen die Untersuchungen eingestellt wurden. Vier Fälle seien nun noch vor Gericht zu behandeln, bei zwei davon wurden bereits zivilrechtliche Einigungen getroffenen.

"Die Klinik Diakonissen Schladming bedauert ausdrücklich – unabhängig davon, ob ein Behandlungsfehler vorliegt oder nicht –, wenn Patienten zu Schaden gekommen sind", hieß es in der Aussendung weiter. Ein Organisationsverschulden seitens der Klinik "für diese bedauerlichen Einzelfälle wird nach wie vor bestritten". Seither sei die geburtshilfliche Einrichtung der Klinik mehrfach behördlich überprüft und die Grundlage der geburtshilflichen Versorgung durch die Behörde mithilfe externer Sachverständiger neu definiert worden. "Es gab im Zeitraum seit 2015 keinerlei Beanstandungen seitens der Behörde."

Das DKH Schladming unterliege regelmäßigen qualitätssichernden Überprüfungen seitens der Behörde, "die wie auch im Frühjahr 2019 stets alle Bescheidauflagen erfüllt zeigten". Dazu trage auch das Risiko-Screening vor der Geburt wesentlich bei, wodurch Risikogeburten an der Klinik vorweg bereits ausgeschlossen würden. Die geburtshilfliche Einrichtung nehme an österreichweiten Untersuchungen teil, wobei die Klinik "in allen wesentlichen Kriterien bei vergleichbaren Einrichtungen über dem der österreichische Durchschnitt" liege. (APA, 5.7.2019)