Eine Frau zeigt das Bild des 17-jährigen Kian Loyd delos Santos neben anderen mutmaßlichen Opfern des Vorgehens der Regierung gegen Drogen auf den Philippinen. Drei Polizeibeamte wurden für schuldig befunden, den jungen Mann getötet zu haben, den sie für einen Drogenhändler hielten. Es war die erste bekannte Verurteilung, die der Präsident wegen des tödlichen Vorgehens gegen Drogen verhängt hatte.

Manila – Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat ein "erschreckendes Ausmaß" außergerichtlicher Tötungen im Anti-Drogen-Krieg auf den Philippinen angeprangert. Eine Untersuchung von Amnesty lege nahe, dass es sich dabei um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt, teilte die Organisation am Montag mit.

Sie forderte eine unabhängige Untersuchung durch den UN-Menschenrechtsrat. Die philippinische Regierung wies die Vorwürfe zurück.

Die Zahl der Opfer außergerichtlicher Tötungen nehme drei Jahre nach Beginn des Anti-Drogen-Kriegs von Präsident Rodrigo Duterte "dramatisch" zu, heißt es in dem Amnesty-Bericht. Insbesondere Menschen aus den armen Stadtvierteln und Regionen des Landes würden willkürlich verhaftet und erschossen. Die Verantwortlichen gingen straffrei aus oder würden lediglich versetzt.

Tausende Tötungen

Die Regierung spricht von 5.300 Tötungen, Menschenrechtsaktivisten gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Die tatsächliche Zahl könnte demnach vier Mal so hoch sein. Es sei anzunehmen, dass "viele tausende weitere Menschen durch unbekannte bewaffnete Personen mit Verbindungen zur Polizei getötet worden sind", sagte Jochen Range, Philippinen-Experte von Amnesty in Deutschland. Lokale Behörden stünden unter Druck, möglichst viele Verdächtige zu nennen. "Mit fatalen Folgen: Schon eine einzige unbewiesene Anschuldigung kann den Tod bedeuten", erklärte Range.

Ein Sprecher von Präsident Duterte wies die Vorwürfe von Amnesty am Montag zurück. Die Polizei töte Verdächtige nur zur Selbstverteidigung. Er warf Amnesty vor, "die sogenannten außergerichtlichen Tötungen" zu "politisieren" und so Vorurteile zu schüren.

Amnesty zufolge widerlegt der Bericht jedoch die Darstellung der Regierung, wonach die Verdächtigen bewaffnet waren und die Polizei sich selbst verteidigen musste. Einige der Opfer besaßen demnach keine Schusswaffen.

Polizisten versetzt

Für den Bericht nahm Amnesty eine genaue Untersuchung von 27 Todesfällen vor. Die Verbrechen wurden demnach zwischen Mai 2018 und April 2019 in der Provinz Bulacan begangen. In der Provinz sei ein starker Anstieg der Todesopfer zu verzeichnen, seitdem mehrere Verantwortliche der Polizei aus Manila dorthin versetzt wurden. Zuvor hätten in Manila die meisten Tötungen stattgefunden, schrieb Amnesty.

Amnesty forderte eine unabhängige Untersuchung durch den UN-Menschenrechtsrat. "Es ist an der Zeit, dass die Vereinten Nationen Präsident Duterte und seine Regierung endlich zur Verantwortung ziehen und die außergerichtlichen Hinrichtungen stoppen", sagte Range.

Island hat einen entsprechenden Resolutionsentwurf beim UN-Menschenrechtsrat eingereicht, der hauptsächlich von westlichen Nationen unterstützt wird. Der Rat wird voraussichtlich am 12. Juli darüber abstimmen, ob eine Untersuchung aufgenommen wird.

Amnesty forderte zudem, der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) müsse seine strafrechtlichen Untersuchungen vorantreiben. Das Haager Gericht hatte Vorermittlungen zu Dutertes Offensive gegen mutmaßliche Drogen-Straftäter eingeleitet. Daraufhin erklärte die philippinische Regierung ihren Rückzug aus dem IStGH.

Seit Dutertes Amtsantritt im Jahr 2016 tötete die philippinische Polizei tausende Menschen, die sie als angebliche Drogenkriminelle ausgemacht hatte. Präsident Duterte lässt seinen Sicherheitskräften in der Regel freie Hand in ihrem brutalen Vorgehen.

(APA, 5.7.2019)