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Wieder da, zumindest in Brüssel: Emmanuel Macron.

Foto: AP / Olivier Matthys

Wie man erfolgreich verhandelt, das lernen Pariser Politaspiranten schon an der Eliteverwaltungsschule ENA. Auch deren Absolvent Emmanuel Macron machte lehrbuchmäßig vor, wie man sich Verbündete schafft und andere gegeneinander ausspielt – und wie man dann kurz vor dem Finale einen kleinen Wutanfall inszeniert. Die EU-Sitzungen dauerten viel zu lang und bestünden nur aus "stundenlangem Palaver", schimpfte der französische Präsident am vergangenen Montagabend nach einer weiteren Runde im Brüsseler Verhandlungspoker. Das sei "international unglaubwürdig" und "nicht seriös", fügte er bissig hinzu.

Am nächsten Tag hatte Macron, was er wollte: EU-Kommissionspräsidentin soll die frankophile Deutsche Ursula von der Leyen werden, EZB-Chefin die Französin Christine Lagarde. Es sind zudem zwei Frauen, wie der Paritätsanhänger Macron versprochen hatte, und beide stehen ihm verteidigungs- oder finanzpolitisch nahe. Nicht mehr wütend, sondern "glücklich", wie die Zeitung "Libération" schreibt, kehrte Macron nach Paris zurück – triumphierend wie Napoleon von seinen Feldzügen.

Dritter Block beißt zu

Noch muss das Europaparlament den Deal absegnen. Aber Macron hat schon gewonnen: Er hat sich auf der europäischen Bühne als unumgänglicher Machtfaktor etabliert. Viele zweifelten schon, ob er in Brüssel wiederholen könnte, was er in Paris vorgemacht hatte: die De-facto-Liquidierung der sozialistischen und konservativen Altparteien durch seine Bewegung "En Marche". Nach den Europawahlen bildete er mit den Liberalen einen dritten Block und sprengte das deutsche Spitzenkandidaten-Konzept mit seiner Version von Hinterzimmerdiplomatie.

Der unterlegene Spitzenkandidat Manfred Weber von der bayerischen CSU übt zwar offene Kritik an Macron, weil er zusammen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán das Ergebnis der Europawahlen missachtet habe; dass dieses Vorgehen in der Tat wenig demokratisch ist, würde aber in Paris niemand anfechten. Macron wird vielmehr gutgeschrieben, dass er geschickt taktiert und die Interessen Frankreich ideal verteidigt habe.

Es läuft wieder besser

Auch im eigenen Land läuft es für den Präsidenten wieder besser. Er hat die monatelange "Gelbwesten-Krise" überwunden und die Europawahlen auf dem ehrenwerten zweiten Platz – knapp hinter der Rechtsaußenpolitikerin Marine Le Pen – beendet. Das heißt nicht, dass Macron plötzlich populär wäre: Im Juni wurde er bei einem Rugby-Match in Paris gnadenlos ausgepfiffen. Aber immerhin hat er sich seit längerem keinen arroganten Versprecher über die Armen, Arbeitslosen oder Analphabeten mehr geleistet.

So gewinnt Macron in Umfragen wieder an Boden, nachdem er im Frühling auf einen Tiefpunkt von 27 Prozent gefallen war. Der Preis dafür ist allerdings hoch: Die Gilets jaunes beschwichtigte er nur mit einem gewaltigen Finanzaufwand von rund 15 Milliarden Euro. Aus diesem Grund wird Frankreich die EU-Defizitvorgaben einmal mehr verpassen. Die heikle Pensionsreform, das Kernstück seiner fünfjährigen Amtszeit, schiebt Macron zudem vor sich her. Für Anfang 2019 versprochen, dürfte sie nun bis nach den Kommunalwahlen von 2020 aufgeschoben werden.

Macron hat sich bewiesen

Das schmälert auch Macrons Ruf eines mutigen Reformers. Der Überraschungsmann der französischen Europawahlen, der Grüne Yannik Jadot, übt laute Kritik an Macrons politischem Opportunismus und ökologischen Lippenbekenntnissen.

Macron kann mit solchen Einwänden leben. Er hat nun bewiesen, dass auch auf europäischer Ebene mit ihm zu rechnen ist.

In Paris hält er nun fest die Zügel in der Hand. Während die Konservativen und Sozialdemokraten nur ein Schatten ihrer selbst sind, kann Macron in aller Ruhe sein Wunschduell gegen Le Pen vorbereiten. Schafft er es, diese Konstellation bis zu den Präsidentschaftswahlen 2022 durchzuziehen, hat er gute Chance, den Wahlablauf von 2017 zu wiederholen und sie in der Stichwahl zu schlagen.

Zwar ist der nächste Präsidentschaftswahltermin noch in weiter Ferne. Doch Macrons Tun und Lassen ist schon vollständig darauf fokussiert, auch die EU-Postenbesetzungen waren letztlich diesem Fernziel unterworfen. Das ist an sich nichts Neues in Frankreich: Die gesamte Pariser Politik ist darauf ausgerichtet. Bloß zeigt sich, dass Macron auch diesbezüglich weniger innovativ ist, als man meinen könnte: Sein politischer Kurs steht ganz in der Tradition seiner Vorgänger. (Stefan Brändle aus Paris, 7.7.2019)