Dem generellen Rauchverbot kann Mario Pulker wenig abgewinnen. Die Politik habe sich zu wenig mit den Bedürfnissen der Wirte beschäftigt, und man erschwere auch den Anrainern das Leben.

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In der Gastronomie ufert der Personalmangel aus. Das liege unter anderem daran, dass die Dienstleistungsbranche nicht mehr sexy genug ist – zumindest sieht das Gastronom, Hotelier und Spartenobmann für Tourismus in der Wirtschaftskammer Niederösterreich Mario Pulker so. Überdies appelliert der Chef der "Residenz Wachau" an die Bevölkerung, beim Konsum von billigen Lebensmitteln umzudenken.

STANDARD: Als Wachauer Gastronom sind Sie der Experte: Wo gibt es die besten Marillen?

Pulker: Am rechten Donauufer im Süden der Wachau, so viel ist klar. Händler kann ich keinen speziellen nennen. Es geht darum, die Marillen richtig reifen zu lassen.

STANDARD: Es liegt klarerweise nicht nur an den Marillen, aber die Wachau wird von Touristen überrannt. Frohlocken Tourismusbetriebe deswegen?

Pulker: Wir sind zufrieden mit der Nächtigungsentwicklung. Das Gros der Besucher kommt jedoch mit dem Schiff, auf dem sie Vollpension haben. Sie nehmen nur vereinzelt Dienstleistungen in Anspruch und verbringen auch zu wenig Zeit an Land, um zu konsumieren.

STANDARD: Für die Bewohner von Dürnstein wird dieser Massenzulauf immer mehr zur Belastung.

Pulker: Unter der Woche gibt es kein Problem. An den Wochenenden ist die Frequenz sehr stark gestiegen. Kabinenschiffe legen in Dürnstein an, und jeder will den historischen Stadtkern sehen. In dem wohnen noch knapp 100 Leute. Dazu kommen die Radfahrer, teilweise stehen bis zu 1600 Fahrräder in Dürnstein. Wir versuchen, die Besucherströme über ein Leit- und Orientierungssystem zu entzerren. Das hilft sowohl Touristen als auch den Einwohnern.

Viele Touristen kommen mit dem Schiff in der Wachau an. Dienstleistungen vor Ort werden allerdings nur vereinzelt in Anspruch genommen.
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STANDARD: Die Wachau macht sich keine Sorgen um Besucherzahlen. Anders geht es Betreibern von Raucherlokalen, jetzt wo das generelle Rauchverbot offiziell im Nationalrat beschlossen wurde. Wie stehen Sie dazu?

Pulker: Das ist eine parlamentarische Entscheidung, und diese gilt es zu respektieren. Über die schwerwiegenden Folgen für die betroffenen Betriebe haben sich die Verantwortlichen allerdings offenbar zu wenig Gedanken gemacht.

STANDARD: Inwiefern?

Pulker: Von 60.000 WKO-Mitgliedsbetrieben brauchen in etwa 12.000 die Raucher. Gerade im Nachtgeschäft. Verbannt man sie nach draußen, nehmen dort Lärm und Geruchsbelästigung zu. Das stört Anrainer und kreiert auf Unternehmerseite immense Probleme. Die Folgen einer derartigen Entwicklung haben wir in Bayern und anderen Ländern gesehen. Lärm vor der Betriebsanlage kann zu Sperrstundenvorverlegungen führen. Muss ein Nachtclub früher schließen, ist er oft nicht mehr rentabel und sperrt ganz zu. Die Existenzängste der Betriebe sind absolut nachvollziehbar. Für sie stellt das Rauchverbot einen klaren Nachteil dar. Und es führt zu einem Kontrollverlust.

STANDARD: Wie meinen Sie Kontrollverlust?

Pulker: Nachtclubs stellen ein gewisses Regulativ für junge Leute dar. Es gibt klare Regeln beim Alter und beim Alkoholausschank. Zusammenstöße oder Streiterein sind in einem Club meist schnell geregelt. Wenn sich das alles ins Private verlagert, kommt es zwangsläufig zu mehr Einsätzen der Exekutive. Es lässt sich alles viel schwerer kontrollieren.

STANDARD: Es geht beim Rauchverbot um die Gesundheit der Mitarbeiter und Gäste. Finden Sie das nicht wichtig?

Pulker: Doch, aber vielfach handelte sich dabei um keine sachliche Diskussion mehr. 20 Prozent der Betriebe sind Einzelunternehmer. Diesen Wirten will man jetzt vorschreiben, was sie in ihrem Lokal machen dürfen? Außerdem wurde gemeinsam mit der Gewerkschaft eine Regelung geschaffen, dass Mitarbeiter nicht im Raucherbereich arbeiten müssen, wenn sie es nicht wollen. Lokale ohne Nichtraucherbereich dürfen maximal 50 Quadratmeter groß sein. Mehr als ein Angestellter arbeitet da nicht. Außerdem stört es der Erfahrung nach in solchen Lokalen meistens weder Gast noch Mitarbeiter, dass geraucht wird. Muss so ein Lokal nun schließen, gibt es keine Gewinner.

STANDARD: Und die Gäste?

Pulker: Für die ändert sich nichts. Sie hatten bisher auch die Möglichkeit, in Nichtraucherlokale zu gehen. Davon gibt es ohnehin weit mehr. Viele sagen, sie kommen erst, wenn ein Lokal rauchfrei ist. Ob das wirklich passiert, wird sich zeigen. Ich bin da skeptisch.

STANDARD: Ihr Betrieb ist doch auch rauchfrei?

Pulker: Ich habe einen touristischen Betrieb, da ist das kein Thema. Bei mir verkehren keine Stammtische, Einheimischen oder Vereine wie in den Dorfgasthäusern. Dort spielt Rauchen eine zentrale Rolle. Gut ein Viertel der Bevölkerung raucht, in gewisser Weise zählt es als Kulturgut. Das soll nicht verkommen. Dieses Viertel wird nicht aufhören, nur weil es in der Gastro nicht mehr erlaubt ist. Auf dem Land ließ sich beobachten, verhängt der Wirt ein Rauchverbot, wandern die Gäste ins Vereinslokal ab. Das Wirtshaussterben beschleunigt sich somit deutlich. Wenn der Wirt stirbt, stirbt das Dorf, und das ist eine gesellschaftliche Wertminderung.

Beim Rauchverbot handelte es sich für Pulker teilweise um keine sachliche Diskussion.
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STANDARD: Fänden Sie Entschädigungen für bereits getätigte Umbauarbeiten angebracht?

Pulker: Ich würde mir wünschen, dass die getätigten Investitionen der vergangenen 18 Monate, seit das Gesetz gekippt wurde, abgegolten werden. Das hilft den Betrieben aber nur peripher. Der Wegfall des Rauchers lässt sich nicht kompensieren, nur weil eine Trennwand finanziell ersetzt wird.

STANDARD: Köche stehen seit heuer auf der Mangelberufsliste. Ist es wirklich so schwierig, Köche zu finden?

Pulker: Ich hatte bis Mitte Mai ein Riesenproblem, Köche zu finden. Das führt zu Existenzängsten, man fängt an zu überlegen, was man strukturell ändern kann oder muss. Muss ich mittags zusperren, um den Abend zu stemmen? Die Situation ist schwierig, die Nachfrage stimmt, aber die Leute für die Arbeit fehlen. Zum Glück habe ich noch Köche gefunden.

STANDARD: Warum hören so viele Köche auf?

Pulker: Die Branche wächst, und es gibt nicht genügend Köche. Die wachsen leider nicht auf den Bäumen. So viele hören nicht auf. Betriebe können nicht mehr in Kapazitätserweiterungen investieren, weil schlichtweg niemand da ist, der die Arbeit machen könnte.

STANDARD: Müsste man für die Gastro bessere Anreize schaffen?

Pulker: Die Lehrlingszahlen bei Köchen steigen, und der Ruf ist wahnsinnig gut. Das hängt vermutlich auch mit den vielen Kochshows im Fernsehen zusammen. Dienstleistung an sich ist nicht mehr sexy. Viele setzen sich lieber in ein Büro und haben an Wochenenden und Feiertagen frei. Am Servicebereich haben viele kein Interesse mehr. Außerdem kann das nicht jeder, dafür muss man geboren sein. In Wien ist das Problem weit weniger groß als auf dem Land. Man bekommt aber oft weniger gut ausgebildete Mitarbeiter.

Die Bürokratie ist Pulker ein riesengroßer Dorn im Auge, die Flut an Auflagen sei ein enormer Kostenfaktor.
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STANDARD: Wie stehen Sie zur Preisgestaltung in Österreich?

Pulker: Für die gebotene Qualität ist Essen in Österreich definitiv zu billig. Viele Wirte beuten sich selbst aus, um irgendwie etwas zu verdienen. Kein Wunder, dass 50 Prozent der Betriebe ein negatives Eigenkapital aufweisen. Mit solchen Preisen geht es kaum anders. Außerdem brauchen wir ein gesellschaftliches Umdenken. Die Menschen sollten sich fragen, warum Speisen so billig sind. Gesund und klug ist das nicht, was wir machen. Es kann doch nicht sein, dass ein Kilo Schweinsschnitzel billiger ist als eine Packung Marlboro. Wo soll das hinführen?

STANDARD: Gibt es neben dem Facharbeitermangel und den Preisen andere große Problemfelder?

Pulker: Die Bürokratie. Österreich ist bekannt für Gold-Plating (Übererfüllung von EU-Normen im nationalen Recht, Anm.), und das in allen Bereichen. Man muss hier ausmisten und die Regelungen aufs Nötigste beschränken. Die Flut an Auflagen ist einerseits ein enormer Kostenfaktor, und andererseits widersprechen sie einander oft. Ein Beispiel: Was soll man als Unternehmer machen, wenn zwei Sicherheitsbeauftrage über gesetzliche Auslegungen streiten und es nur um einen Temperaturmesser in einer Sauna geht.

STANDARD: Was stört am meisten?

Pulker: Es geht um die Summe an Kleinigkeiten. Betriebsanlagenverfahren oder die Ausrichtung von Fluchttüren – die Liste ist lang. Der Willkür der Behörden muss Einhalt geboten werden. Man kommt sich als Unternehmer gefrotzelt vor, kann aber nichts machen.

STANDARD: Wie stehen Sie als Hotelier zu Airbnb?

Pulker: Es wird mit verschiedenen Messbechern gemessen. Wir bieten dasselbe an und haben unterschiedliche Auflagen. Das muss sich ändern. Airbnb-Vermieter bewegen sich im rechtsfreien Raum, und Gewerbebetriebe werden mit bürokratischen Auflagen regelrecht geknechtet. Außerdem ist die Plattform ein Mietpreistreiber. Wohnungseigentümer vermieten lieber an Touristen als an normale Konsumenten, weil sie mehr verdienen. Das treibt die Preise in die Höhe und schafft negative Stimmung gegenüber Touristen.

STANDARD: Was braucht es Ihrer Meinung nach?

Pulker: Die gleichen gesetzlichen Regelungen wie in der Hotellerie. Wenn gleiches Recht für alle gilt, ist Airbnb in Ordnung.

STANDARD: Haben Sie neben WKO und dem Betrieb auch Freizeit?

Pulker: (lacht) So etwas wie Freizeit habe ich seit Jahren nicht mehr. In einer ruhigen Minute gehe ich gern schwimmen und verbringe Zeit in meinem Garten. Früher bin ich gerne Rad gefahren, aber dafür habe ich schon lange keine Zeit mehr. (Andreas Danzer, 7.7.2019)