Nach eineinhalb unbefriedigenden Saisonen beim FC Lugano in der Schweiz entsagte Marc Janko der professionellen Jagd nach Toren und bereitet die Übersiedlung der Familie nach Wien vor. Der ehemalige Kapitän der Nationalmannschaft hat nach dem Ende einer Karriere mit deutlich mehr Höhen als Tiefen keinen wirtschaftlichen Druck. Er ist aber nicht der Typ, die Hände in den Schoß zu legen.

"Ich mahne zu mehr Achtsamkeit, Einigkeit und Entschlossenheit,wenn es darum geht, unsere Demokratie in Zukunft zu verteidigen", Marc Janko kann sich nach dem Fußball auch den Einstieg in die Politik vorstellen
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STANDARD: Plötzlich nicht mehr Fußballprofi, nach 16 Jahren – wie fühlt sich das an?

Janko: Es fühlt sich nach wie vor gut an – ein gutes Zeichen dafür, dass es die richtige Entscheidung war. Dieser Gedanke ist aber schon ein bisschen länger in meinem Kopf gereift. Mit 36 kann man schon aufhören.

STANDARD: Können Sie buchstäblich aufrecht abgehen?

Janko: Ich habe mir immer vorgenommen, zurückzutreten, solange ich körperlich noch gut in Schuss bin. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich meine Karriere komplett ausgequetscht hätte. Ich möchte weiter ein aktives Leben führen.

STANDARD: Haben Sie schon eine Idee, abgesehen von der Familie?

Janko: Ich habe für mich beschlossen, mir die Chance und die Zeit zu geben, viele Sachen auszuprobieren. Ich habe seit meinem siebenten Lebensjahr, seit ich im Fußball tätig war, ein fremdbestimmtes Leben geführt. Jetzt kommt der Sprung in ein selbstbestimmtes Leben. Ich gehe davon aus, dass ich wie viele andere Sportler in ein kleines Loch fallen werde. Ich schaue aber, dass es nicht so tief wird, dass ich nicht mehr herauskomme. Ich baue mir jetzt ein neues Leben zusammen.

STANDARD: Gibt es dafür Fundamente?

Janko: Ich konnte mir nebenbei schon das eine oder andere aufbauen. Da ist einmal die Sportbox, Camps für Kinder und Jugendliche in ganz Österreich mit polysportivem Ansatz. Ich habe mir aber zu keinem Zeitpunkt ausgerechnet, dass ich da später eine super Einnahmequelle haben werde. Es ist eine Herzensangelegenheit. Während meiner Zeit in Basel hat mir zudem ein Physiotherapeut eine Art patentiertes Faszientape vorgestellt namens "Skin – the active tape". Die Idee hat mir sehr gut gefallen. Man kann sich das als flexibles Tape mit Noppen vorstellen, das den Bereich darunter stimuliert, die Durchblutung fördert, Schmerzen lindert. Wir haben das Produkt von einer Idee hin zur Marktreife entwickelt. Das Feedback ist extrem positiv. Ich bin gespannt, wo die Reise hingeht.

STANDARD: Sie engagieren sich schon länger auch im karitativen Bereich für Kinder und Jugendliche – woher kommt der Impuls?

Janko: Das hat, glaube ich, jeder Mensch in sich. Wenn man etwas geschenkt bekommt, und so sehe ich es mit mir und dem Fußball, möchte man auch etwas zurückgeben. Mir war immer bewusst, wie privilegiert ich bin als Profifußballer, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Man darf auch nie vergessen, wo man herkommt. Nur weil man vielleicht einen Tick mehr Glück gehabt als andere. Ich hatte auch ein Elternhaus, das mir das vorgelebt hat. Zudem kommt im Leben eines jeden Menschen der Zeitpunkt, an dem man sich Gedanken darüber macht, was von einem übrigbleibt, und das wäre in dem Fall das Weitergeben.

STANDARD: Fußballer, die sich zu gesellschaftspolitischen Themen äußern, sind Ausnahmen. Wie kommen Sie dazu?

Janko: Zu Beginn meiner Karriere war ich komplett desinteressiert an Politik – das hat sich geändert. Ich habe mich zwar geäußert, aber nur zu überparteilichen Themen. In einer Zeit, in der es immer wieder Versuche gibt, die Gesellschaft zu spalten, kann der Sport verbindend wirken und hat eine große Kraft.

STANDARD: Könnten Sie sich vorstellen, parteipolitisch tätig zu werden?

Janko: Mir war es wichtig, mich nie von einer Partei instrumentalisieren zu lassen. Mich interessiert Politik immer mehr. Ich würde jetzt gar nichts ausschließen, aber es ist, unter Anführungszeichen, ein Zirkus, den ich mir, Stand heute, nicht unbedingt antun möchte.

STANDARD: Sie haben es sich aber angetan, für Pressefreiheit einzutreten. Warum?

Janko: Ich habe das Interview des Herrn Vilimsky bei Armin Wolf gesehen und war, wie viele andere auch, perplex darüber, was da zum Besten gegeben wird, live vor der Kamera, ohne Scheu. Dass man so die Hosen herunterlässt und die Pressefreiheit attackiert, war für mich schockierend. Was mich aber noch mehr schockiert hat, war, wie lange es gedauert hat, bis entscheidende Leute sich dazu geäußert haben, dass das nicht geht. Das ist für meinen Geschmack viel zu spät passiert. Wobei ich für politisch-strategische Zwänge schon Verständnis habe. Aber bei solch grundlegenden Dingen wäre es wünschenswert, wenn sofort Farbe bekannt und nicht zu viel taktiert wird. Pressefreiheit ist ein fundamentaler Bestandteil einer Demokratie, und damit wir die so genießen, wie wir es tun, mussten viele hunderttausende Menschen auf grausame Art und Weise ihr Leben lassen.

STANDARD: Mussten Sie in der Schweiz oft zum Ibiza-Video Stellung nehmen?

Janko: Natürlich. Ich war fassungslos, welches Gedankengut da von einem amtierenden Regierungsmitglied zum Besten gegeben wurde. Was mich aber fast noch nachdenklicher stimmte, war, dass Strache nach so einem Video überhaupt noch vollwertiges Mitglied dieser Partei sein kann. Ebenso unglaublich für mich ist, dass so jemand eine Woche später derart viele Vorzugsstimmen bei der Europawahl erhält. Das sagt schon viel darüber aus, wie es um die politische Stimmung in einem Land steht. Ich mahne deswegen zu mehr Achtsamkeit, Einigkeit und Entschlossenheit, wenn es darum geht, unsere Demokratie in Zukunft zu verteidigen. Wie sagte es Michael Köhlmeier mal treffend: Das Böse kam nie in großen, sondern in vielen kleinen Schritten.

STANDARD: Sie wurden bereits in den Klub der österreichischen Fußballlegenden aufgenommen. Ist es für Sie vorstellbar, dass Sie in VIP-Klubs sitzen und von alten Zeiten schwärmen?

Janko: Nein, ich bin da uneitel, fast schon ein Tiefstapler. Sehr zum Ärgernis meiner Frau. Sie würde für mich zum Beispiel gerne eine Karriereende-Party organisieren. Ich habe sie gebeten, es zu lassen, da ich mit der Begrifflichkeit ein Problem habe. Es wurde mir außerdem auch von ÖFB-Seite her ein Abschiedsspiel in Aussicht gestellt. Auch das habe ich abgelehnt. Es fühlt sich für mich einfach nicht richtig an. So wichtig war ich nicht, und so wichtig bin ich nicht. So etwas steht Leuten zu, die über hundert Länderspiele und dem Fußball enorm viel gegeben haben. Ich habe mir nie etwas auf meine Erfolge eingebildet und bevorzuge den stillen Abgang. Meine Frau wird sich ärgern, wenn sie das liest.

STANDARD: Immerhin scheint Ihr Verhältnis zum Fußballverband ÖFB nicht belastet. Obwohl Sie etwa Kritik im Umgang mit dem scheidenden Teamchef Marcel Koller geübt haben.

Janko: Vorausschickend muss ich sagen, dass ich dem ÖFB viel zu verdanken habe. Genau deshalb habe ich mich damals geäußert, weil ich mir gewünscht hätte, dass sich der Verband, der mir so viel gegeben hat, eleganter verhält. Und weil es Koller nicht verdient hatte. Das haben manche im ÖFB schon kurz danach eingesehen, haben mir recht gegeben und sich entschuldigt. Ob alles vergeben und vergessen ist, werden ohnehin die Jahre zeigen. Das hat man ja bei Willi Ruttensteiner gesehen, der für Sachen, die in der Vergangenheit passiert waren, Jahre später gehen musste. Das Gedächtnis einiger Herrschaften ist eben sehr lang. Aber da pfeife ich drauf. Das habe ich gemacht, weil es mir ein Bedürfnis war. Ich habe etwas gesagt, weil offensichtlich nie die Sache und der Erfolg der Nationalmannschaft im Fokus standen, sondern das Ego von dem einen oder anderen.

STANDARD: Wie wäre es mit einer Verbands- oder Trainerkarriere?

Janko: Punkto Verband müsste man sich zusammensetzen und reden, wenn das jemals gewünscht wird und zum Thema stünde. Und Trainer? Stand heute kann ich mir das nicht vorstellen, weil ich nicht wieder in dieses Rad reinwill. Ich möchte langsam Wurzeln schlagen und von dort aus meine berufliche Zukunft planen. Aber ich kenne nicht wenige, die nie Trainer werden wollten und jetzt an der Linie stehen. (Sigi Lützow, 6.7.2019)