Bild nicht mehr verfügbar.

Am Freitagmorgen entdeckte die Besatzung der Alan Kurdi das überfüllte Schlauchboot.

Foto: Reuters/SEA-EYE

Rom/Berlin – Neue Irrfahrt auf der Suche nach einem sicheren Hafen: Nach der italienischen Insel Lampedusa hat auch Malta dem deutschen Flüchtlings-Rettungsschiff "Alan Kurdi" mit 65 Migranten an Bord am Sonntag das Anlegen verboten. Ein Segelboot der italienischen Hilfsorganisation Mediterranea fuhr unterdessen trotz Verbots in den Hafen von Lampedusa ein, 41 Migranten konnten von Bord gehen. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) bot an, einen Teil der Geflüchteten in Deutschland aufzunehmen.

Die "Alan Kurdi" hatte am Samstagabend Kurs auf Malta genommen, da ihr auf Lampedusa das Anlegen untersagt worden war. "Wir können nicht abwarten, bis an Bord der Notstand herrscht", erklärte die Hilfsorganisation Sea-Eye im Kurzbotschaftendienst Twitter.

"Angemesse Aktionen"

Am Sonntag teilte ein Sprecher der maltesischen Armee mit, das Schiff der Hilfsorganisation Sea-Eye dürfe nicht in die maltesischen Hoheitsgewässer einfahren. Die Regierung ordnete den Streitkräften an, "angemessene Aktionen" zu ergreifen, sollte das Schiff in Maltas Hoheitsgewässer eintreten, hieß es in einer Presseaussendung der maltesischen Regierung.

Malta hat sich allerdings bereit erklärt, drei in der Hitze auf dem Rettungsschiff "Alan Kurdi" kollabierte Migranten an Land zu lassen. Das bestätigte ein Sprecher der Behörden am Sonntag.

Die "Alan Kurdi" hatte am Freitag 65 Menschen von einem Schlauchboot im Mittelmeer gerettet und lag seitdem in internationalen Gewässern vor Lampedusa. Ein Angebot der libyschen Küstenwache, den Hafen der Stadt Sawija als "sicheren Zufluchtsort" anzulaufen, lehnte das Rettungsschiff ab. Am Samstagmorgen teilte Sea-Eye bei Twitter mit, die italienische Finanzpolizei sei "persönlich vorbeigekommen", um ein Dekret des Innenministers Matteo Salvini zu überbringen: "Der Hafen ist zu."

Über Verbot hinweggesetzt

Das Segelschiff "Alexa" setzte sich hingegen über Salvinis Verbot hinweg und legte am Samstag im Hafen von Lampedusa an – erwartet von einem Großaufgebot von Polizisten. Die hygienischen Bedingungen an Bord seien nicht länger tragbar, schrieb Mediterranea nach zwei Tagen Wartens vor der Küste auf Twitter. Lampedusa sei der einzig mögliche sichere Hafen.

Salvini von der fremdenfeindlichen Lega-Partei schrieb nach der Ankunft des Schiffes bei Twitter, bei der Crew der "Alex" handle es sich um "Schakale". Daraufhin forderte Mediterranea den Vizeregierungschef per Twitter auf, "die unnötige Grausamkeit" zu beenden und alle von Bord zu lassen.

Transport in Aufnahmelager

Gegen 1.30 Uhr nachts konnten die 41 Migranten die "Alex" verlassen und wurden in ein Aufnahmelager gebracht. Das Segelboot wurde vorübergehend beschlagnahmt. Gegen den Kapitän Tommaso Stella wurden Ermittlungen wegen Verdachts der Beihilfe zur illegalen Einwanderung eingeleitet, wie die italienische Nachrichtenagentur Agi meldete.

Seehofer forderte nach Angaben aus Regierungskreisen in Berlin Salvini in einem Brief dazu auf, die Blockade italienischer Häfen für Flüchtlings-Rettungsschiffe aufzuheben. Demnach betonte Seehofer, dass es sich bei der Rettung von Menschen in Seenot um eine humanitäre Pflicht handle, die nicht in Frage gestellt werden dürfe.

Deutschland zeigt sich solidarisch

Die deutsche Bundesregierung sei "im Rahmen einer europäisch-solidarischen Lösung bereit, einen Teil der aus Seenot Geretteten aufzunehmen", erklärte Seehofer bei Twitter. Nach AFP-Informationen betonte der CSU-Politiker gegenüber Salvini, dass diese Unterstützung nicht nur für Geflüchtete gelte, die von Schiffen unter deutscher Flagge gerettet wurden.

Laut einer am Samstag in der Zeitung "Corriere della Sera" veröffentlichten Umfrage stimmen 59 Prozent der Italiener der Schließung italienischer Häfen zu. Salvini hatte kürzlich ein Dekret veröffentlicht, wonach Kapitäne, Eigner und Betreiber von Flüchtlingsschiffen mit bis zu 50.000 Euro Strafe rechnen müssen, wenn sie ohne Genehmigung in italienische Hoheitsgewässer fahren.

Falsche Hoffnungen

Unterstützung erhielt Salvini von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Er halte es für falsch, dass Hilfsorganisationen wie jene der Sea-Watch-Kapitänin Rackete im Mittelmeer gerettete Migranten nach Europa bringen. "Sie wecken damit nur falsche Hoffnungen und locken damit womöglich unabsichtlich noch mehr Menschen in Gefahr", sagte Kurz der "Welt am Sonntag".

"Solange die Rettung im Mittelmeer mit dem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist, machen sich immer mehr Menschen auf den Weg", sagte Kurz. Nur wenn Europa sicherstelle, dass jeder, der sich illegal auf den Weg macht, in sein Herkunftsland oder in ein Transitland zurückgebracht wird, werde das Ertrinken im Mittelmeer enden.

Menschenrechtsverletzungen

Die meisten im Mittelmeer geretteten Migranten haben sich von Libyen aus auf die gefährliche Überfahrt in meist überfüllten Schlauchbooten gemacht. In dem nordafrikanischen Staat werden die Menschenrechte jedoch in vielen Fällen massiv verletzt. Das Weltstrafgericht in Den Haag untersucht mutmaßliche Verbrechen in den Flüchtlingslagern. Dabei geht es um Tötungen, Vergewaltigungen und Folter. Zudem tobt in Libyen ein bewaffneter Machtkampf. Erst vergangene Woche starben 44 Menschen bei einem mutmaßlichen Luftangriff auf ein Internierungslager mit afrikanischen Migranten.

In Deutschland demonstrierten am Samstag Tausende Menschen aus Solidarität mit den Seenotrettern im Mittelmeer für die Rechte von Schiffbrüchigen und Geflüchteten. Aufgerufen zu den Aktionen am Samstag hatte die Organisation Seebrücke. Besonders viele versammelten sich in Hamburg und Berlin: laut Polizei jeweils rund 3.000.

Unterdessen haben Rettungskräfte nach einem Bootsunglück vor der Küste Tunesiens 14 Leichen afrikanischer Migranten aus dem Meer geborgen. Die Zahl werde wahrscheinlich noch steigen, sagte Mongi Slim von der Hilfsorganisation Roter Halbmond am Samstag. Das Schlauchboot war am Montag aus Tunesiens Nachbarland Libyen nach Europa gestartet. Insgesamt waren der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 86 Migranten an Bord, als es am Mittwoch sank. Nur vier Migranten konnten gerettet werden. (APA, red, 6.7.2019)