Meditation und Feiern sind keine Gegensätze: Carlos Santana hat eine Unmenge von Songs geschrieben, die jeder Party unter Garantie ins Tanzbein fahren.

Foto: imago images / Agencia EFE

Natürlich hat der Typ nach drei Minuten mehr Noten gespielt, als andere Gitarristen in ihrer ganzen Karriere. Er ist schließlich Carlos Santana, der Mann mit den 25 Fingern an der Griffhand. Um nicht vor dem Gleichberechtigungsausschuss für diskriminierte Gitarristenfinger zu landen, dürfen alle an die Saiten. Nach einem Album sind dann alle Miniaturextremitäten aufgebraucht, aber das macht nichts: Carlos Santana lässt sich da einfach einen neuen Satz wachsen.

Apropos 25 Finger: Mit seiner nach ihm benannten Band hat Santana eben sein 25. Album veröffentlicht. Es heißt Africa Speaks und ist doch ziemlich geil. 25 ist natürlich stark untertrieben, in seiner fünf Jahrzehnte umfassenden Karriere hat der US-Gitarrist mit mexikanischer Geburtsurkunde dutzende Alben aufgenommen – darunter auch Bestseller wie das 1999 erschienene "Supernatural"; das soll sich an die 15 Millionen Mal verkauft haben.

Carlos Augusto Santana Alves gilt als Vertreter der Woodstock-Generation. Friedensbewegt ist der sanfte Mann bis heute, im kommenden August wird er einer der Headliner von Woodstock 50 sein: dem Festival, das anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der legendären Hippie-Zusammenkunft stattfindet.

Elf Titel ausgesucht

Berühmt wurde Santana als Latino-Musiker, als einer der ersten, die zurzeit der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung weltberühmt wurden. Mit bald 72 Jahren ist er zudem in jenem Alter angekommen, in dem er für Rick Rubin interessant wurde. Der Produzent des Spätwerks von Johnny Cash hat die Entstehung von "Africa Speaks" überwacht und mit Santana jene elf Titel ausgesucht, die auf das Album kamen.

Nicht weniger als 49 frische Kompositionen hat Santana in nur zehn Tagen geschrieben und aufgenommen! Angesichts dieses kreativen Sturms musste sogar Rick Rubin seinen Rauschebart anschließend bürsten. Rick Rubins Einfluss vermeint man daran zu erkennen, dass er Santanas überbordendem Spiel mehr Richtung gibt, als dies sonst geschieht. Denn einer wie Santana will beschäftigt werden. Schließlich singt er nicht einmal. Den Job übernahm die spanische Sängerin Buika. Die ist 25 Jahre jünger als Santana und Tochter von Eltern aus dem westafrikanischen Land Guinea.

Weltmusikalischer Ansatz

Diese Diaspora genügt dem Albumtitel allemal. Denn der übersieht nonchalant die unzähligen regionalen Musikstile, schert sie in einer alles umarmenden Nomenklatur über einen Kamm und vereinnahmt so einen ganzen Kontinent. Aber gut, das ist Popmusik und nicht Ethnologie.

Und es passt zu Santanas eher weltmusikalischem Ansatz. Ein Song wie "Los Invisibles" könnte genauso gut in einem Vorort von Miami aufgenommen worden sein. Die von einer üppigen Rhythmusabteilung — ohne Bongos geht hier natürlich rein gar nix — getragenen Songs belegt Santana mit Gitarrenfeuer.

Reite den Funk

Er soliert, reitet den Funk, formt dabei einige alles überstrahlende Melodien. Sein Gesang, das ist sein Gitarrenspiel, damit tritt er mit Buika in Dialoge. Die Resultate ergeben eine mitreißende Sommerplatte mit Songs, die eigentlich jeder Party ins Tanzbein fahren müssen. (Karl Fluch, 8.7.2019)