Sachliche Erfordernisse, nicht Fantasien sollten bei der Luftraumüberwachung eine Rolle spielen, merkt der Luftfahrtjournalist Martin Rosenkranz in seiner Replik auf Thomas Nowotny an.

Brigadier Josef Bernecker, der mittlerweile verstorbene ehemalige Chef der österreichischen Luftstreitkräfte, saß dereinst als junger Leutnant in Linz startbereit in seiner "fliegenden Tonne" (Saab J-29Ö) und wartete auf den Einsatzbefehl. Rund um unser Land tobte einer der Höhepunkte des Kalten Krieges, die Kubakrise. Alles, was es an Militärfliegerei gab entlang des Eisernen Vorhanges, und das waren ohne Übertreibung tausende Kampfflugzeuge und das Personal dazu, war in höchster Alarmbereitschaft.

Und die österreichische Antwort darauf waren startbereit zwei gebrauchte Unterschalljets bewaffnet mit Bordkanonen. Der "großen Krieg" in der Luft hätte also immer schon ohne uns stattgefunden.

Ein Eurofighter gibt Schub: In Österreich wurden die Militärjets auf minimale Fähigkeiten abgespeckt – mit entsprechenden Konsequenzen.
APA/AFP/PATRIK STOLLARZ

Das Primat der Politik

Selbiger Offizier saß rund 40 Jahre später mit mir auf dem Dach der Wiener Luftraumüberwachungszentrale bei einem Interview und gab folgendes Statement ab: "Ich sage nicht, ob wir eine Luftraumüberwachung brauchen, weil wir haben das Primat der Politik. Es ist jedoch die Aufgabe des Militärs, die dafür erforderlichen Mittel zu definieren. Politisch Luftraumüberwachung zu fordern, aber Abfangjäger abzulehnen ist schlicht Populismus."

Nun, wie sah die Aufgabe der Politik zu Beginn der Draken-Nachfolgebeschaffung aus? Die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin – Entschließung des Nationalrates vom 12. Dezember 2001 – forderte vom Militär eine "Luftraumsicherung".

Wie sich das definiert, war für alle Bürger frei zugänglich im Rechnungshofbericht Bund 2002/3 einzusehen und nachzulesen. Für alle, die es versäumt haben, hier noch mal die Kurzzusammenfassung:

  • Unter Luftraumüberwachung (LRÜ) versteht das Militär die Summe aller Maßnahmen, die notwendig sind, um festzustellen durch wen, womit und zu welchem Zweck der Luftraum genutzt wird.
  • Luftraumsicherung bezeichnet jene Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Nutzung eines definierten Luftraumes über eine definierte Zeit zu beschränken oder gänzlich zu unterbinden.
  • Die beiden erstgenannten sind Aufgaben in Friedenszeiten, wohin gegen die Luftraumverteidigung bei einen kriegerischen Konflikt erforderlich wird.

Die Spezialität des militärisch Neutralen, nämlich den "Neutralitätsfall", kann man demgemäß zwischen "Luftraumsicherung" und "Luftraumverteidigung" verorten. Man wird nicht direkt angegriffen, muss aber die fremde Nutzung des eigenen Hoheitsgebietes – und dazu zählt auch der eigene Luftraum – nach Möglichkeit unterbinden. "Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen", so steht es im Neutralitätsgesetz. In letzter Konsequenz also Waffeneinsatz.

Die Nachbeschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge sah von vornherein nur eine 24-Stunden-Luftraumüberwachung sowie die Luftraumsicherung über kürzere Zeiträume vor. Niemals mehr, schon gar nicht "Krieg".

Das operative Erfordernis – Luftraumüberwachung 24 Stunden täglich, 365 Tage im Jahr, über eine Periode / einen Lebenszyklus von 30 Jahren – waren 24 Maschinen, welche pro Jahr 2700 Flugstunden absolvieren sollten.

Die anderen Einsatzarten wurden berechnet mit 30 Maschinen für die Luftraumsicherung und mindestens 75 Maschinen für eine Luftraumverteidigung.

Düstere Realität

Die Realität sind 15 Maschinen und weniger als die Hälfte der erforderlichen Flugstunden pro Jahr. Demgemäß erstreckt sich die realisierte Luftraumüberwachung hauptsächlich auf Wochentags-Taglicht-Stunden, nur einmal pro Woche wird spätabends geflogen, um den Piloten den Fähigkeitserhalt für Instrumentenflug zu ermöglichen.

Auch die Ausrüstung der Flugzeuge war entsprechend definiert. Von Selbstschutz, Selbstverteidigung und Nachtsicht blieb zwei Minister später aber nur die Kanone und die Infrarot-Kurzstreckenlenkwaffe IRIS-T übrig.

Eine Luftraumsicherung bekommt man mit entsprechender Vorausplanung noch für einige Tage hin. Mehr ist nicht drin. Und es gibt um neuerlich zwei Milliarden Euro mehr weder mehr noch bessere Flugzeuge für die Luftraumüberwachung – nachzufragen in der Slowakei, wo im Jahr 2018 14 Stück F-16-Jets für 1,6 Milliarden Euro angeschafft wurden.

Und Trittbrettfahrerei

Aber ist das "nutzlos" ("Warum die Eurofighter nutzlos sind", Thomas Nowotny im STANDARD vom 3. Juli 2019)? Klar, wieso nicht. Man lässt die Neutralität beiseite – soll fliegen, wer will, wie einst in den 1950ern und 1960ern bei der Libanon-, Suez-, Ungarn- und Tschecheikrise. Und Zivilflugzeuge ohne Funkkontakt zur Austro-Control-Flugsicherung sind – hoffentlich – bald wieder raus aus unserem Fleckerl. Soll sich doch wer anderer drum kümmern.

Seien wir uns doch ehrlich. Wenn die Präsidenten von Nuklearmächten mitsamt ihren Atombomben-Codekoffern in Österreich ab und an diplomatisch sehr gut gelitten sind, dann können auch ein paar Bomber von Hinz und Kunz über unseren Köpfen nicht wirklich stören. (Martin Rosenkranz, 8.7.2019)