"Aida" – oder Liebe in Zeit von Krieg und Unterdrückung.

Foto: Xiomara Bender

Die Botschaft eines diktatorischen Regimes ist auf die Leinwand projiziert: Frauen sind den Männern untertan, dürfen nicht über ihren Körper entscheiden. Auf Stühlen sitzen sie denn auch achtsam in einem schmucklosen zeitlosen Raum, zumeist Schwangere in grauen Kitteln. Sie tragen weiße Hauben als Symbol ihrer Unterdrückung. Amneris hält drohend einen Schlagstock im Arm und überwacht die Sklavinnen; schwarz gekleidete Männer in Bomberjacken kreisen die Gruppe ein.

In Erl beginnt die Neuinszenierung von Verdis Aida also provokant. Es sind die ersten Festspiele nach der Ära Gustav Kuhn, die unter Vorwürfen eines mutmaßlich übergriffigen Benehmens begraben wurde. Obige Szene schürt denn auch – ob der vieldiskutierte Causa – Erwartungen.

Die Inszenierung der jungen Wienerin Daniela Kerck vermag selbige allerdings nicht zu erfüllen. Das Regiekonzept verliert sich doch in Widersprüchen. Die Tragödie um eine durch Machtinteressen und Kriegswirren gezeichnete Dreiecksgeschichte wird nicht lebendig.

Tiumphmarsch uninszeniert

Der berühmte Triumphmarsch bleibt übrigens uninszeniert; statisch um die Bühnenmitte aufgereiht sitzen Priester und Sklavinnen. Andernorts jedoch passiert wiederum einiges: Eine kleine Gefangenengruppe schleppt etwa ein paar eingepackte Beutestücke auf die Bühne. Es herrscht wildes Durcheinander zwischen Wächtern, Priestern und Sklavinnen, bis eine von ihnen Oberpriester Ramphis ein Neugeborenes übergibt – also dem eigentlichen Herrscher in diesem Reich.

Der König selbst wirkt verwirrt: Der Lorbeerkranz wird ihm abgenommen, und zu Beginn des dritten Aktes wird er von Ramphis kaltblütig erstochen. Auch Amneris wird die Haube als Symbol der Versklavung aufgesetzt. Aida und Radamés wiederum stehen am Ende an der Türe zum Saal im Sonnenlicht und blicken auf die Freiheit hinaus. Eine unkonventionelle Deutung der Liebesgeschichte geht zu Ende, die kontroverse Diskussionen auslöst.

Musikalisch mittelmäßig

Musikalisch bleibt diese Aufführung Mittelmaß: Das Dirigat der jungen Französin Audrey Saint-Gil wirkt unspektakulär, ruhig und sehr getragen. Damit macht sie es Sängern jedoch schwer, Dramatik zu erzeugen. Maria Katzarava zeigt (als Aida) Defizite in der Höhe, ihre Stimme bricht im Lagenwechsel. Ferdinand von Bothmer (als Radamés) hat wiederum den Fachwechsel noch nicht geschafft. Sein Tenor ist klein und lyrisch.

Teresa Romano (als Amneris) verfügt immerhin über eine farbenreiche Stimme, kräftige dramatische Höhen. Sie kämpft aber in der Tiefe mit Tempo und Ausdruck. Giovanni Battista Parodi ist ein eleganter, schlanker Ramphis ohne herrschaftliche Vokalmacht. Dafür klingt die reife Stimme von Andrea Silvestrelli (als Amonasro) wuchtig und präsent.

In Summe bleibt hier vom klassischen Zauber dieser für die Eröffnung des Suezkanals 1871 verfassten Oper nur der Elefant auf dem Programmheft. Der Rest ist ein Versuch, modernes Regietheater, also etwas bis dato Unbekanntes, nach Erl zu bringen. (Helmut Pitsch, 8.7.2019)