Bild nicht mehr verfügbar.

Rund 460.000 Menschen zeigten bei der Wiener Regenbogenparade im Juni Flagge. Auch einige Firmen waren im Demozug vertreten. Die Macher der deutschen App Proudr haben sich zum Ziel gesetzt, dass es nicht bei solchen Bekenntnissen bleibt, und vernetzen auf der Jobplattform deshalb LGBT+-Personen mit Unternehmen.

Foto: Reuters

Kollegen zerkratzten sein Auto und beschimpften ihn als Schwuchtel, nur weil er schwul ist. Er hätte sich damals gewünscht, einen Arbeitsplatz zu haben, wo es egal ist, welche sexuelle Orientierung er hat, erzählt Stuart Cameron. Deshalb gründete er vor zehn Jahren in Berlin die Karrieremesse Sticks and Stones, die sich an die LGBT+-Community richtet. LGBT+ steht für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle Menschen sowie Personen mit sexuellen Orientierungen oder Geschlechteridentitäten, die sich in gängigen Bezeichnungen unzureichend wiederfinden können.

Es folgten verschiedene Projekte und Events in dem Bereich. Vor circa einem Monat ging Camerons neueste Idee an den Start: Proudr. Die App ist eine Job- und Netzwerkplattform, vergleichbar mit Xing und Linkedin, "nur eben mit dem Unique Selling Point: LGBT+-Menschen und deren heterosexuelle Unterstützer, die Straight Allies".

Vernetzen und Jobs suchen

User können sich vernetzen und Jobs suchen, Arbeitgeber können Stellen inserieren und passenden Kandidaten finden. Bereits über 1.000 Personen und 63 Firmen sind registriert, darunter etwa die Allianz-Versicherung, BMW, das deutsche Bundeskriminalamt, Coca-Cola, IBM, Lidl, Netflix und SAP. Doch warum benötigt es eigentlich so ein zugeschnittenes Portal? "Zum Beispiel wird ein Drittel aller Jobs über Netzwerke vergeben, daher ist es wichtig, viele unterschiedliche zu haben. Wir sehen uns als Ergänzung", sagt Cameron. Aber nicht nur das: "Die meisten LGBT+ haben einfach keine Lust mehr, in einer Firma zu arbeiten, die ihnen gegenüber nicht offen ist und wo sie möglicherweise diskriminiert werden."

Die Zahlen geben ihm recht: Laut einer OECD-Studie aus dem Jahr 2019 werden Heterosexuelle doppelt so häufig zu Bewerbungsgesprächen eingeladen wie LGBT+. Zudem verdienen LGBT+ weniger und werden seltener Chef oder Chefin. Auch eine aktuelle Studie von BCG zeigt: Nur ein Drittel der LGBT+ spricht mit Kollegen über ihre sexuelle Orientierung. 22 Prozent sehen ein Outing in der Arbeit sogar als Karriererisiko.

Hürde Outing

Aus diesem Grund findet Astrid Weinwurm-Wilhelm die App "eine tolle Initiative, die die Anliegen der Community unterstützt". Sie ist Präsidentin des Vereins Queer Business Women und berät als Selbstständige Firmen in Sachen Diversity-Management. Sie sagt: "Es ist anstrengend, die eigene sexuelle Orientierung geheim zu halten." Bei Proudr sei das anders, da ist die Hürde des Outings bereits vor der Anstellung gemeistert. "Will ich das nicht, dann ist die App nichts für mich."

Wer am Montagmorgen nicht übers Wochenende mitreden könne, weil die Beziehung (vermeintlich) nicht erwähnt werden kann, begebe sich aber auch ins soziale Out. Das führe sogar so weit, dass man nicht mehr sichtbar für die interne Karriereleiter ist, sagt sie.

Zudem zeigen Untersuchungen: Wer sich am Arbeitsplatz wohlfühlt und geoutet ist, kann seine volle Leistung erbringen. "Es ist also auch ein wirtschaftliches Argument, sexuelle Orientierung im Diversity-Management zu berücksichtigen", sagt Weinwurm-Wilhelm. Und Firmen würden mit einem Inserat auf Proudr zugleich ein Zeichen setzen, welche Werte sie vertreten.

Flagge zeigen

Doch wie wird gewährleistet, dass sie nicht nur sogenanntes Pinkwashing betreiben und einmal auf der Regenbogenparade sind, aber sonst keine Flagge zeigen?

Erstens müssen die Firmen selbst aktiv Proudr kontaktieren, und zweitens hat Cameron dafür vor einiger Zeit bereits das Gütesiegel Pride 500 entwickelt, das Firmen nach verschiedenen Kriterien bewertet. Etwa ob es ein öffentliches Bekenntnis auf der Website gibt, wie die Policies zur Homo-Ehe sind, ob es einen begleitenden Prozess für Transgender-Personen gibt und interne LGBT+-Netzwerke. Das Gütesiegel wird künftig auch in der App sichtbar sein.

Eine weitere Neuerung, die es etwa ab August bei Proudr geben wird: nach Städten und Branchen aufgeteilte Gruppen, um die Mitglieder auch offline besser zu vernetzen. Auch in Wien und Innsbruck sind diese geplant. (Selina Thaler, 8.7.2019)