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Kyriakos Mitsotakis am Wahlabend.

Foto: REUTERS/Costas Baltas

Er hebt oft den Zeigefinger, wenn er spricht, seine Gestik scheint einstudiert zu sein. Kyriakos Mitsotakis ist kein feuriger Redner. Der Mann in den Slim-Fit-Anzügen wirkt bemüht, wenn er seine Stimme erhebt, um sich Applaus abzuholen. Der neue Premier Griechenlands ist das Gegenmodell zum bisherigen Regierungschef Alexis Tsipras. Wenige Stunden nach dem Wahlsieg seiner bürgerlichen Partei Nea Dimokratia (ND) ist Mitsotakis am Montag als griechischer Ministerpräsident vereidigt worden.

Tsipras ist charismatisch und repräsentiert den Durchschnittsgriechen. Man traute ihm zu, mit der Vetternwirtschaft aufzuhören, weil er keine alten Loyalitäten zu befriedigen hatte. Mitsotakis ist viel formeller und ein Spross jener politischen und wirtschaftlichen Eliten, die in den letzten Jahrzehnten für die desaströse Finanzpolitik und den Filz mitverantwortlich gewesen waren. Trotzdem will er ein Reformer sein.

Erfahrung als Verwaltungsminister

Man wird sehen, ob den 51-Jährigen die dicken Bande zur konservativen Partei Nea Dimokratia und ihrer Klientel aufhalten werden. Mitsotakis hat sich aber bereits Glaubwürdigkeit als Verwaltungsminister zwischen 2013 und 2015 erarbeitet. In den Krisenjahren war er für die Entlassung tausender öffentlich Bediensteter zuständig. Er schlug einheitliche Besoldungssysteme für Beamte vor, um die Staatsausgaben zu drücken. Mit einem ähnlichen Programm ging er jetzt auch in den Wahlkampf. Im Gegenzug zur Verwaltungsreform will er Steuersenkungen in Milliardenhöhe ermöglichen.

Der Wirtschaftsliberale kam 2004 ins griechische Parlament. Da hatte er bereits eine Karriere als Banker hinter sich. Anfang der Neunziger arbeitete er als Finanzanalyst in London, zuerst bei der Chase Bank, dann bei McKinsey, später bei der Alpha Bank. 1999 gründete er die Risikokapitaltochter der griechischen Nationalbank, NBG. Zuvor hatte Mitsotakis in Harvard Wirtschaft und in Stanford Internationale Beziehungen studiert. Seinen ersten Studienabschnitt beendete er summa cum laude.

Familie floh vor Militärdiktatur

Dabei begann sein Leben gar nicht so rosig. Sein Vater Konstantinos Mitsotakis wurde 1968 zu Beginn der Militärdiktatur zur persona non grata erklärt und unter Hausarrest gestellt. Deshalb flüchtete die Familie Mitsotakis nach Paris, als Kyriakos ein halbes Jahr alt war. Sie kehrte nach dem Ende der Militärdiktatur 1974 zurück in ihre Heimat.

Kyriakos Mitsotakis wäre wahrscheinlich ohne seinen Nachnamen 2016 nicht zum Chef der Nea Dimokratia gewählt worden. Doch die Griechen reagierten sofort. In den Umfragen lag die ND plötzlich vor Syriza. Sein Vater Konstantinos Mitsotakis war lange Zeit Premierminister, so wie sein Großonkel Eleftherios Venizelos. Zwei seiner Urgroßväter saßen im griechischen Parlament, und seine Schwester Dora Bakogianni war Bürgermeisterin von Athen und Außenministerin. Sein Neffe Kostas Bakoyannis sitzt nun als Chef im Rathaus der Hauptstadt. Die Mitglieder des Clans sind so etwas wie die Kennedys von Griechenland.

Trumpfkarte Nationalismus

Im Wahlkampf setzte Mitsotakis auch auf Nationalismus, und es wird sich zeigen, ob er sich als Europäer erweisen wird oder wieder den alten Kurs aufnimmt und die EU-Zukunft des Nachbarstaats Nordmazedonien per Veto verhindert. Aufgetaucht sind auch wieder alte Vorwürfe. Mitsotakis wurde 2007 beschuldigt, von Siemens elektronische Ausrüstung "geschenkt" bekommen zu haben, allerdings gibt es keinerlei Beweise für ein schuldhaftes Verhalten.

Mitsotakis fährt in seiner Freizeit gerne Mountainbike und spielt Tennis. Seine Frau Mareva Grabowski-Mitsotakis, die ebenfalls in Harvard studierte und bei der Deutschen Bank arbeitete, hat polnische Wurzeln. Gemeinsam haben sie drei Kinder. (Adelheid Wölfl, 8.7.2019)