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China also.
Foto: AP/Ireland

PRO:

Ja zu Schanghai, alles andere wäre dumm

Siegfried Lützow

Namhaftere Mitspieler hatte Marko Arnautovic zuletzt bei West Ham auch nicht. Hulk und Oscar stürmen unter dem portugiesischen Coach Vítor Pereira für den Shanghai International Port Group Football Club. Es ist aber davon auszugehen, dass sich Arnautovic auf Anraten seines Bruders nicht bloß den Lebenstraum erfüllen wollte, mit zwei brasilianischen Krachern zusammenzuspielen. Und auch nicht, dass er das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden wollte, nämlich eine neue Kultur kennenzulernen und dafür auch noch bezahlt zu werden. Wer in finanziellen Dimensionen wie der 30-jährige Floridsdorfer zu denken gelernt hat, wird dessen Entscheidung, nach China zu gehen, verstehen können. 220.000 Euro pro Woche im Herbst der Karriere zu verdienen, 90.000 mehr als in London und insgesamt garantiert 34 Millionen für dreieinhalb Jahre, hätte sich selbst das seinerzeitige Supertalent trotz überbordenden Selbstbewusstseins nicht träumen lassen.

Dafür gleich mitten in die Meisterschaft einzusteigen ist auch kein Nachteil, Trainingswochen bei englischen Spitzenklubs, das weiß Arnautovic, sind kein Honiglecken. Da schon lieber aus dem Urlaub heraus spielen. Das Niveau der Chinese Super League wird ihn nicht überfordern. Wie lange das geht, ist ohnehin nicht gewiss. Arnautovic gilt als verletzungsanfällig. In Europa bis Ende 2022 auf einem Level zu spielen, das nur annähernd eine Gage verspricht, wie sie nun in China bezahlt wird, wäre für ihn ganz schwierig geworden. Und, trotz aller Klasse: Ein Arbeitgeber, mit dem er einen wirklich fetten Titel holen könnte, ist für Österreichs Teamkapitän ohnehin nicht mehr zu finden.

Apropos: Marc Janko hat gezeigt, dass sich ein Engagement fernab von Europa und ein weiteres Auflaufen für Österreich nicht ausschließen – Arnautovic ist dem ehemaligen Sydney-Stürmer sogar etliche Flugstunden voraus.

KONTRA

Dreht sich im Leben alles um Geld?

Fritz Neumann

Vielleicht verständlich, aber gewiss traurig. So ist der Marko-Arnautovic-Wechsel nach Schanghai zusammenzufassen. Keine Frage, der Mann wird dort abcashen ohne Ende, 220.000 Euro pro Woche stehen im Raum oder auch 34 Millionen Euro bis Dezember 2022, wenn sein Vertrag ausläuft. Doch ist Geld alles? Und ändert es etwas am Leben, wenn man nicht mehr wahnsinnig viel Geld, sondern exorbitant viel Geld verdient? Bei West Ham United bekam Arnautovic 130.000 Euro überwiesen, auch damit lässt sich ein Auslangen finden und ein schöner Fuhrpark anlegen.

2009/10 war Arnautovic von Twente Enschede an Inter Mailand (drei Spiele) verliehen, die nächsten Stationen hießen Werder Bremen, Stoke City und eben West Ham. Er hat insgesamt acht Champions-League-Spiele (davon drei in der Quali) und acht Europa-League-Partien in den Beinen. Eine wirklich große Karriere sieht anders aus, und eine wirklich große Karriere wäre wohl möglich gewesen, nimmt man die fußballerischen Arnautovic-Anlagen her. Schon im Frühjahr 2010 hatte Andreas Herzog den damals 20-Jährigen als besten österreichischen Kicker der vergangenen dreißig Jahre bezeichnet. Trotz Krankl, trotz Prohaska, trotz Polster, trotz Herzog. "Arnautovic stellt sie alle in den Schatten", sagte Herzog, "wenn er sein Potenzial abruft."

Ja, wenn. Im Nationalteam, das sei festgehalten, hat sich Marko Arnautovic unter und dank Marcel Koller zum Leistungsträger und zum Spielbestimmer entwickelt, in 81 Länderspielen erzielte er 24 Tore. Dem Team will der 30-Jährige erhalten bleiben, Skeptiker bezweifeln allerdings, dass er sich die langen Reisen lange antun wird. Einen Teamrücktritt beizeiten würde man ebenfalls verständlich nennen. Traurig aber auch.