Zunächst einmal die unvermutete Botschaft. Der neue Clio, kündet Renault bei der Pressefahrpräsentation im Umland des portugiesischen Évora, sei der beste aller Zeiten. Ein Superlativ, der sozusagen koaxial flankiert wird von dem Faktum, dass die Baureihe mit 15 Millionen Autos seit 1990 die meistverkaufte aller Zeiten des traditionsreichen französischen Herstellers ist (wobei schon der Vorgänger R5 ein Bestseller war). Für die Zeit ist im griechischen Mythos der Gott Chronos zuständig, für das, was in ihr so passiert, für die Geschichte also, die Muse Klio oder Clio – und damit sind wir mitten im Thema.

Die Front mit großer Raute und zwei LED-Kommas, einmal richtig, einmal spiegelverkehrt, entspricht der aktuellsten Ausformung von Renaults Formensprache und gilt zudem als Hinweis darauf, wie wichtig den Franzosen richtige Interpunktion im Automobilbau ist: ein Kleinwagen wie ein Ruf- und ohne Fragezeichen.
Foto: Renault
Grafik: der Standard

Die fünfte Clio-Auflage wirkt rein äußerlich wie ein größeres Facelift, so nahe dran ist er am Vorgänger. Warum Bewährtes groß ändern, noch dazu, wo Renault erhoben hat, dass das Design beim Clio zu den wichtigsten Kaufargumenten zählt, und so hat Chefstilist Laurens van den Acker einen evolutionären Ansatz gewählt. Serie sind nunmehr die LED-Leuchten, und diese C-Grafik an Front (sehr markant) und Heck (weniger), eines der Haupterkennungsmerkmale aller aktuellen Renaults, ist erstmals ästhetisch vollends zufriedenstellend gelöst.

Geschichte

Von der Nähe zum Vorgänger lasse man sich nicht täuschen, der 5er ist ein ganz und gar neues Auto, legt auf die vier Vorgänger eine neue Schicht drauf, Geschichte ist schließlich das Geschichtete, und da ist ein Hinweis auf die neue, modulare Plattform angebracht. CMF-B nennt sich die, reichliche Verwendung finden wird sie in der Allianz Renault-Nissan-Mitsubishi, und sie soll auch eine besondere Duftmarke in der Elektrifizierungsstrategie – neben Vernetzung und teilautonomem Fahren (Stufe zwei) einer der drei technischen Schwerpunkte beim neuen Clio – des Unternehmens setzen.

Hinter diesem adretten Popsch verbirgt sich ein für diese Fahrzeugkategorie respektabler Kofferraum. Aber: hohe Ladekante.
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In dem Zusammenhang wäre zu erwähnen, dass zu den konventionellen Motorisierungen, zwei Diesel und drei Benziner stehen zur Auswahl, 2020 eine Vollhybridversion namens E-Tech hinzutritt, für deren im Haus entwickelte Technik nicht weniger als 150 Patente angemeldet wurden. Dank des gedeihlichen Zusammenwirkens von 1,6-Liter-Sauger, zweier E-Motoren, 1,2-kWh-Batterie und des Multi-Mode-Getriebes sei dieser Clio 40 Prozent sparsamer als ein normaler Benziner, macht Renault der ökoaffinen Klientel schon einmal den Mund wässrig.

Weniger, aber mehr

Entgegen üblichen Usancen wächst der Clio außen nicht, er ist sogar zwölf Millimeter kürzer als bisher und elfe flacher, der Radstand bleibt praktisch gleich. Dennoch haben die Ingenieure innen dank ausgefuchster Platzoptimierung mehr Raum herausgekitzelt, als der Vorgänger bieten konnte. Mit mehr Kniefreiheit hinten und einem Kofferraum, der sich in der Klasse sehen lassen kann. Hohe Ladekante, sagen Sie? Schon. Dient aber der Sicherheit. Nur für den Fall, dass Ihnen einmal wer hinten drauffährt.

Einen Sprung vorwärts macht das Interieur, optisch wie haptisch. Oben erfreulich hochwertig anmutende Soft-Materialien, hübsch designt und abgestimmt, Hartplastik kommt erst weiter unten. In der Hauptblickachse setzt der Clio jetzt auf ein vielfach modifizierbares virtuelles Cockpit, das große, entspiegelte, aufgestellte Tablet in der Fahrzeugmitte ist ergonomisch der Fahrerin, denn die wird wieder die Hauptklientel stellen, zugewandt. Es bleibt beim hochgradig ablenkenden Touch-Ansatz mit allerdings etwas einfacherer, logischerer Bedienung als bisher.

Stellt auf eure Tablets: Renault bleibt bei diesem Tatschbildschirm-Ansatz, wird aber ergonomisch und räumt im Innenraum weiter auf.
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Im Fahrkapitel legt Renault besonderen Wert auf Komfort. So wurde die Oberschenkelauflage der Sitze vorn um 15 mm verlängert, und das Fahrwerk ist überhaupt ein Gedicht, wenn man gern sanft und behutsam transportiert werden mag. Weicher, sanfter als bisher, wird es selbst auf Kopfsteinpflaster keineswegs bockig und wankt und schwankt auch nicht bedenklich in den Kurven.

Nach Renault-Eigenbekunden haben wir hier ein "polyvalentes, langstreckentaugliches Stadtmobil" vor uns, "praktisch, geräumig, sicher, stylish".

Die Konkurrenz? Peugeot 208, Citroën C3, Opel Corsa, Ford Fiesta, VW Polo, Skoda Fabia, Seat Ibiza, Nissan Micra, Mazda2, Toyota Yaris, Honda Jazz, Hyundai i20, Kia Rio. Position des Clio? Einer der Besten im Umfeld. Immer schon. Jetzt erneut. Mit dem hat Renault in der Liga wieder einen Stein im Brett – allerdings keinen aus der Megalithanlage von Évora. (Andreas Stockinger, 14.7.2019)