Wenn Kinder und Jugendliche unter wiederkehrenden Schmerzen leiden, belastet das die ganze Familie stark.

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Michael Dobe, Boris Zernikow
Rote Karte für den Schmerz
Wie Kinder und ihre Eltern aus dem Teufelskreis chronischer Schmerzen ausbrechen
Carl-Auer-Verlag 2018
190 Seiten, 19,50 Euro

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Ob Migräne, andauernde Rückenschmerzen oder häufiges Bauchweh: Wenn die Kinder von anhaltenden Schmerzen geplagt werden, leiden viele Eltern gleich doppelt mit. Sie wissen in dieser Situation häufig nicht, wie sie sich dem Kind gegenüber verhalten sollen. Immer sofort trösten? Oder abwarten, bis die Schmerzen von alleine vergehen? Ist das ein Schrei nach Aufmerksamkeit, oder muss ein Arzt eingeschaltet werden? Bildet sich das Kind den Schmerz nur ein, oder gibt es eine organische Ursache?

Diese und viele weitere Fragen werden in dem Buch "Rote Karte für den Schmerz" behandelt. Michael Dobe und Boris Zernikow erklären darin auf 190 Seiten, wie Eltern und Kinder aus dem Teufelskreis chronischer Schmerzen ausbrechen können.

Die Autoren

Dobe ist ausgebildeter Familien-, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut, Zernikow Chefarzt der Abteilung für Schmerztherapie, Palliativmedizin und Psychosomatik. Beide sind am Kinderschmerzzentrum der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln in Nordrhein-Westfalen tätig.

Durch die Kombination ihrer beiden Fachgebiete haben es die Autoren geschafft, einen Einblick sowohl in die physiologischen als auch in die psychologischen Vorgänge der Schmerzentwicklung und -bewältigung zu geben. Immer wieder lassen sie Erlebnisse aus ihrem Klinkalltag einfließen, die ihre Schilderungen lebhaft untermalen. Unterschiedliche Geschichten und Zitate junger Schmerzpatientinnen und -patienten führen die Lesenden durch das Buch.

Den Schmerz beachten

Schmerzgeplagte Kinder werden manchmal nicht gleich ernst genommen, ihre Schmerzen heruntergespielt. Das ist jedoch ein grober Fehler, denn Schmerz ist Schmerz und gehört beachtet.

Schmerz gelte dann als chronisch, wenn er an mindestens 15 Tagen des Monats über einen Zeitraum von drei Monaten auftrete. Zwischen Familie, Freunden und Schule von chronischen Schmerzen geplagt zu werden setzt den Kindern und Jugendlichen oft stark zu. Ängste, Konzentrationsprobleme und Depressionen können die Folge sein. Wird der Leidensdruck groß genug, beginnt oftmals eine Ärzteodyssee. Doch nicht immer kann auch eine Ursache für die chronischen Schmerzen gefunden werden.

Das Schmerzgedächtnis

Laut den Autoren steht am Beginn der chronischen Schmerzen meist ein akuter Schmerz oder ein belastendes Ereignis. Negative Gedanken und Assoziationen mit früheren schmerzhaften Erlebnissen können dann zur Chronifizierung der Schmerzen beitragen, ohne dass es eine greifbare körperliche Ursache gibt.

"Angst ist der wahre Schmerz!", wird etwa die 14-jährige Julia zitiert, wenn es um das Thema Schmerzgedächtnis geht. Dobe und Zernikow betonen, dass die Angst vor den Schmerzen ebenso stark am chronischen Schmerz beteiligt ist wie die eigentliche Schmerzursache.

Immer wieder weisen die Autoren darauf hin, dass Schmerzen und deren Entwicklung nicht eindimensional betrachtet werden dürfen. Meist gibt es mehrere Faktoren, durch deren Zusammenspiel chronische Schmerzen entstehen.

Gut informiert

Das Layout des Buches ist sehr minimalistisch. Bis auf kleine geometrischen Formen an den Rändern und die eine oder andere medizinische Abbildung wird dem Auge hier nicht viel geboten. Das lenkt den Fokus aber noch stärker auf den interessanten Inhalt.

Die Fülle an Informationen, die die Autoren hier zusammengetragen haben, wirkt auf den ersten Blick zwar etwas erdrückend, gerade im Umgang mit Kindern kann es jedoch sehr hilfreich sein, auf jede Frage auch eine passende Antwort parat zu haben. Komplexe physiologische und psychologische Prozesse werden den Leserinnen und Lesern leicht verständlich präsentiert.

Ein gutes Buch, um besorgten Eltern Anhaltspunkte zu liefern, wo die Schmerzen ihrer Kinder herkommen, in welchen Fällen man sich Sorgen machen sollte und wie man dem Schmerz am besten die rote Karte zeigt. (Katharina Janecek, 14.7.2019)