Ein Bild mit Symbolkraft: Aufgrund des tauenden Permafrostbodens neigten sich diese Kreuze eines Friedhofs in Alaska.
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Atlanta – In der vergangenen Woche war es der nördlichste US-Bundesstaat, der mit neuen Temperaturrekorden aufwartete: An zahlreichen Stellen in Alaska, dessen nördlicher Teil jenseits des Polarkreises liegt, wurden die bisherigen Höchstwerte deutlich überschritten. Am Donnerstag zeigte das Thermometer am Flughafen von Anchorage 32,2 Grad Celsius an – 2,8 Grad mehr als der bisherige Rekord.

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Vergangene Woche herrschte auch in Alaska Badewetter, wie hier am Lake Goose bei Anchorage.
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Das weist einmal mehr darauf hin, dass die arktischen Regionen vom Klimawandel besonders stark betroffen sind. Die Temperaturen sind dort bereits um mehrere Grad Celsius stärker angestiegen als im weltweiten Durchschnitt. Das Meereis schwindet im Rekordtempo, und auch der Permafrost taut immer weiter auf – mit potenziell fatalen Folgen.

Der Temperaturanstieg bedeutet zwar für die Bewohner ein weniger kaltes Klima. Die fortschreitende Erwärmung und die auftauenden Permafrostböden setzen aber fatale Rückkopplungsprozesse in Gang, die allem Anschein nach längst begonnen haben, wie jüngste Studien vermuten.

Viel gespeicherter Kohlenstoff

Tatsächlich ist ungefähr die Hälfte des weltweit in Böden gespeicherten Kohlenstoffs in den Permafrostböden des Nordens gebunden. Das ist in etwa die doppelte Menge an Kohlenstoff, die sich im Moment in Form von CO2 in der Atmosphäre befindet und dort als Treibhausgas zur globalen Erderwärmung beiträgt, die eben diese Böden auftauen lässt.

Das führt zum einen zu erheblichen Schäden an den Infrastrukturen in der Arktis. Wie eine Studie im Fachblatt "Nature Communications" Anfang des Jahres prognostizierte, könnten bis zum Jahr 2050 hunderte Kilometer Bahnlinien, Öl- und Gaspipelines und Straßen, aber auch Gebäude und Industrieanlagen beschädigt oder zerstört werden. Mehr als drei Millionen Menschen werden davon betroffen sein.

Ist der Kipppunkt überschritten?

Womöglich kommt aber alles noch schlimmer bzw. früher als gedacht: Vor drei Wochen meldeten Forscher um Vladimir Romanovsky (Universität Fairbanks in Alaska), dass der Permafrostboden in vielen arktischen Regionen Kanadas viel schneller auftaut als von Klimaforschern vorhergesagt. Laut der Studie im Fachblatt "Geophysical Research Letters" sei dieser Prozess inzwischen so weit vorangeschritten, wie das in den aktuellen Szenarien des Weltklimarates (IPCC) eigentlich erst für das Jahr 2090 prognostiziert wurde.

Die Klimaforschung habe sich in dieser Frage um nicht weniger als 70 Jahre verkalkuliert. Damit sei ein Kipppunkt der globalen Klimaentwicklung womöglich bereits überschritten. Hauptgrund dafür sei, dass dieses Auftauen des Permafrosts seit 2003 doppelt bis nahezu dreimal so schnell voranschreite wie in den Jahrzehnten zuvor.

Die Forscher um Romanovsky vermuten, dass die Ökosysteme der Arktis besonders sensibel auf klimatische Veränderungen reagieren: Entsprechend hätten bereits einige warme arktische Sommer und das Fehlen einer nennenswerten Vegetationsschicht für das schnelle Tauen gesorgt.

Analyse der Bodenmikroben

Indirekte Bestätigung für diese Annahme liefert eine neue Untersuchung eines US-Forscherteams um Kostas Konstantinidis (Georgia Institute of Technology in Atlanta), das seit 2008 in Alaska die Veränderungen des Tundrabodens in der Gegend des Denali untersucht, des höchsten Berges von Nordamerika.

Eine der von den Forschern seit 2008 untersuchten Bodenparzellen in Alaska.

Konkret haben die Wissenschafter für ihre Studie im Fachjournal "PNAS" seit 2008 die veränderte Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaften in den obersten Bodenschichten einiger kleiner Parzellen analysiert.

Dabei zeigte sich, dass bereits eine relativ geringe Erwärmung große Wirkungen entfaltet. Während es in den obersten Schichten – bis zu 25 Zentimeter unter der Erdoberfläche – durch die Mikroben zu einer erhöhten Freisetzung von CO2 kam, wurden in Tiefen von 45 bis 55 Zentimetern erhöhte Methanproduktionen gemessen.

Mit ihren Analysen wollen die Forscher vor allem dazu beitragen, dass die Klimaforschung den Bakterien in den tauenden Permafrostböden mehr Aufmerksamkeit schenkt, denn schließlich sind es die Mikroben, die für die Treibhausgasemissionen sorgen. (Klaus Taschwer, 9.7.2019)