Am Anfang war das Wort; beziehungsweise das Konzept. Abseits der bekannten biblischen Plagen, der apodiktischen Hinnahme der (von Gott, vom Schicksal oder von "den Mächtigen in Brüssel") gegebenen Ordnung, jenseits der Macht des Faktischen, stellte sich Bernhard Hetzenauer die drängende Frage, welche Verantwortung, welche Schuld denn die "kleinen Leute", die einzelnen Menschen am Verlust von Eigentum, Arbeitsplatz, von Zukunft und Würde im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise in Griechenland tragen könnten. Im Sinne der antiken Tragödie begann der Innsbrucker Filmemacher, Autor und Fotograf mit Recherchen und mit der Dokumentation einzelner Schicksale in Wort und (Bewegt-)Bild.

Stimmen aus Sozialkliniken

Hetzenauers 2016 entstandene, 2017 an der Angewandten gezeigte, nun in Buchform dokumentierte Installation Faces of Athens beleuchtet den Zusammenbruch des staatlichen Sozial- und Gesundheitssystems in Griechenland nach Umsetzung der von EU und den EU-Finanzministern erzwungenen Sparauflagen. Die Arbeit versammelt experimentell-dokumentarische Kurzfilmporträts von Patienten, Ärzten und Volontären dreier Athener Sozialkliniken. Es kommen Menschen zu Wort, die im griechischen Sozial- und Gesundheitssystem keinen Platz mehr haben und in staatlichen Krankenhäusern nicht mehr betreut werden können.

Dass in einem EU-Land die medizinische Versorgung zusammenbrechen könnte, hätte sich vor wenigen Jahren niemand träumen lassen. Die Situation in Griechenland ist noch immer dramatisch, auch wenn das Land (abseits von Wahlzeiten und ohne Grexit) wieder aus dem Fokus der Massenmedien verschwunden ist.

Hetzenauers Dokumentation ist ein Beitrag zum Diskurs, ein Aufruf zum Dialog, vor allem aber eine Ermahnung für eine Europäische Union mit gesellschaftspolitischer Verantwortung. (Gregor Auenhammer, 8.7.2019)