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Die Proteste waren erfolgreich: Lam erklärt das Gesetz für tot.

Foto: REUTERS/Tyrone Siu

Hongkong – Der umstrittenste Gesetzesvorschlag der jüngeren Geschichte Hongkongs mag "tot" sein, dessen Kritiker lassen sich von der Ankündigung von Regierungschefin Carrie Lam aber nicht besänftigen. Denn formell zurücknehmen will Lam die Initiative, die Auslieferungen aus Hongkong nach China erleichtern sollte, nicht. Es gebe aber "keinen Plan", das auf Eis liegende Gesetzgebungsverfahren wieder in Gang zu bringen, sagte sie am Dienstag. Das Gesetz sei "völlig gescheitert", die Proteste, die darauf folgten und die Wirtschaftsmetropole wochenlang prägten, hätten ihr "Herz gebrochen".

Lams Statement, das sie bei einer Pressekonferenz abgab, seien nichts als Wortspiele, kritisieren die Gegner des Gesetzes, die eine vollständige Rücknahme des Vorschlags fordern. Auch der Rücktritt der als pekingtreu geltenden "Chief Executive" (CE) schwebt den Demonstranten vor, so wie eine unabhängige Untersuchung der möglichen Polizeigewalt gegen Protestierende. "Es ist nicht so einfach für einen CE zurückzutreten", sagte Lam. Und: "Ich habe noch immer den Willen und die Kraft, den Hongkongern zu dienen."

"Ohne Rücktritte wird es nicht gehen"

Die Agentur Reuters zitiert den Lam-kritischen Abgeordneten Fernando Cheung, der bezweifelt, dass die Krise in Hongkong ohne Rücktritte beigelegt werden kann: "Sie versteht es noch immer nicht. Wenn sie nicht bald eine unabhängige Untersuchungskommission einsetzt, ist nicht nur das Gesetz tot, sondern auch ihre Regierung." Jimmy Sham, der zu den Organisatoren der großen Proteste im Juni zählte, wirft Lam vor, "mit ihren Worten die Öffentlichkeit zu beschwindeln".

Und auch die Menschenrechts-NGO Amnesty International fordert die Hongkonger Regierungschefin zu mehr Klarheit auf. Ihre Weigerung, die "fatalen Fehler" des Auslieferungsgesetzes anzuerkennen, "befeuert die Situation weiter". Lam solle das Gesetz formell zurückziehen und eine "unabhängige, unparteiische, effektive und rasche Untersuchung" der Polizeiaktionen vom 12. Juni einleiten.

Proteste sollen weitergehen

Eine Protestgruppe in der ehemaligen britischen Kronkolonie hat indes weitere Demonstrationen angekündigt. "Sollten unsere fünf Forderungen von Carrie Lam und ihrer Regierung immer noch nicht gehört werden, wird das Bürgerforum für Menschenrechte weiter Proteste und Versammlungen abhalten", sagte Sprecherin Bonnie Leung am Dienstag.

Das Vorhaben hatte die größten Proteste seit der Rückgabe der einstigen britischen Kronkolonie an China im Jahr 1997 ausgelöst. Das Gesetz hätte erstmals Auslieferungen an Festlandchina ermöglicht. Angesichts der Massenproteste legte Lam das Gesetzesvorhaben Mitte Juni zunächst auf Eis.

Lam unter Druck

Die Proteste dauerten aber an und schlugen teils in Gewalt um. Sie richteten sich zunehmend gegen die Regierungschefin selbst.

China hatte London bei der Übergabe Hongkongs vor 21 Jahren zugesichert, dass in der ehemals britischen Kronkolonie Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit für mindestens 50 Jahre gewahrt blieben. Hongkongs wiedererstarkte Oppositionsbewegung wirft der pekingtreuen Regierung vor, diese als "Ein Land, zwei Systeme" bekannte Regelung zunehmend zu unterlaufen. (flon, Reuters, APA, 9.7.2019)