Foto: Heyne

Zum Abschluss der "Bobiverse"-Trilogie – zu dem übrigens erstmals englischer und deutscher Titel synchron laufen – sieht die Situation so aus: Der Ex-Nerd Bob Johansson aus unserem Zeitalter ist in der Zukunft als digitalisierte Bewusstseinskopie wiedererweckt worden, um als Künstliche Intelligenz ein Raumschiff zu steuern. Körper wie auch Geist sind replizierbar, und so ist es dazu gekommen, dass Scharen von Bobs seit mittlerweile einem Jahrhundert als gestaltende Kraft in der näheren Milchstraße am Wirken sind – ohne dass ihnen ihre Macht zu Kopf steigen würde: "Warum wollen alle immer die Welt übernehmen? Das habe ich noch nie verstanden. Das hört sich nach einem schrecklichen Job an."

Dank dem überlichtschnellen BobNet kann sich Original-Bob laufend mit seinen Replikanten, von denen es mittlerweile hunderte gibt, abstimmen, wenn wieder mal eine wichtige Aufgabe im Dienste der Menschheit ansteht. Charakterlich gibt es zwischen den Bobs nur geringfügige Variationen – hoffentlich ist es kein Spoiler, wenn ich verrate, dass auch im dritten Teil der Trilogie kein böser Bob auftritt (was eigentlich ein fast schon erwartbares Motiv wäre). Allesamt teilen sie den grundsätzlichen Optimismus des Originals, was dem Autor einen positiven Zukunftsentwurf im Stil von Bobs geliebtem "Star Trek" ermöglicht. Passend dazu befinden wir uns ja auch im 23. Jahrhundert.

Der Anschluss ans Bisherige

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass dieser Band nichts für Neueinsteiger ist. Was war noch mal schnell FAITH? Wer Medeiros oder die Paven, und wie hatten wir uns Bobs ungewöhnlichen Assistenten Guppy vorzustellen? "Alle diese Welten" schließt nahtlos an den Vorgängerband an, ohne sich groß mit Erinnerungshilfen aufzuhalten, wenn Figuren und Schauplätze aus den vorangegangenen Bänden plötzlich wieder auftauchen. Auch die grundsätzliche Struktur bleibt dieselbe: Der Band kommt als rasche Abfolge kurzer Kapitel daher, in denen sich diverse Bobs im Reißverschlusssystem ihren jeweiligen Herausforderungen stellen. Dass diese Handlungsebenen teils um Jahrzehnte versetzt liegen, spielt übrigens keine Rolle, da es zwischen ihnen keine wesentlichen Querverbindungen gibt. (Ansonsten würde sich auch eine Struktur von psychedelischer Komplexität ergeben, und Taylor setzt stets aufs Schlichte.)

Was die Bedeutung anbelangt, muss oder müsste man zwei Handlungsstränge herausheben: Einerseits ist da die Evakuierung der in einer neuen Eiszeit versinkenden Erde; es leben zwar nur noch ein paar Millionen Menschen auf ihr, trotzdem stellt die Logistik die Bobs vor eine fast unmögliche Aufgabe. Und zweitens sind da noch die Anderen – eine gesichtslos bleibende außerirdische Spezies, die wie Wanderameisen über einen Planeten nach dem anderen herfällt und ihn restlos verwüstet. "Herausheben müsste" deshalb, weil diese eigentlich ja gewichtigeren Plots nicht wesentlich mehr Platz bekommen als die Nebenschauplätze.

Knalleffekte bleiben aus

Einer dieser Nebenschauplätze ist uns mittlerweile wohlvertraut, nämlich der Planet Epsilon Eridani, auf dem sich Original-Bob in einem Androidenkörper unter sein Lieblings-Steinzeitvolk gemischt hat. Neu ist eine Wasserwelt, auf der sich ein autoritäres System herauszubilden beginnt, gegen das der örtliche Bob natürlich den Widerstand organisiert. Ebenfalls neu – nicht zuletzt deshalb, weil es darin um rein private Probleme geht – ist ein Handlungsstrang um einen weiteren Bob, dessen menschliche Freundin dem Ende ihres Lebens entgegensieht. Das Angebot, im Stil Bobs nach dem körperlichen Tod digital weiterzuleben, bringt ihm einen erbitterten Streit mit der Familie seiner Freundin ein.

Alles in allem muss man konstatieren, dass "Alle diese Welten" ein bisschen den Eindruck eines (durchaus unterhaltsamen) Pausenprogramms macht. Ich war ehrlich gesagt überrascht, dass dies tatsächlich ein Abschlussband ist und das "Bobiverse" nicht einfach wie bisher weiterlaufen wird. Von einem Abschlussfeuerwerk kann man jedenfalls nicht sprechen: Der schon im Vorgängerband angekündigte Showdown mit den Anderen ist nicht wie erwartet das zentrale Ereignis des Romans; er kommt erst im letzten Drittel ins Rollen, nachdem wir zuvor recht gemütlich diverse Welten und Bobs abgeklappert haben.

Anstrengungslos zu Ende gebracht

Auch die im Vorgängerband angeklungene Tendenz der Bobs, sich zunehmend als etwas anderes als "die Kurzlebigen" (sprich Menschen) wahrzunehmen, wächst sich nicht zu einem echten Konflikt aus. Es bleibt nur eine leise Melancholie der Bobs angesichts des Umstands, dass ihnen langjährige Freunde und Weggefährten allmählich wegsterben. Sieht aus, als wären Taylor zwar einige Konsequenzen seiner Grundidee gedämmert – woraufhin er dann aber stets die Notbremse zog, ehe es zu ernst wurde, um sich die lockere Grundstimmung nicht zu vermiesen. Immerhin ist "grinsen" eines der meistverwendeten Verben in der Trilogie, und stets hat der körperlose Bob einen Scherz wie "Betrachtet mich einfach als einen extremen Amputationsfall" auf den virtuellen Lippen, um Verkrampfungen zu lösen.

Tief geschürft kann so natürlich nicht werden. Was sich nach Band 1 und 2 allerdings ohnehin niemand erwartet hätte. Und ja, Band 3 bietet weniger Attraktionen als erhofft. Aber wirklich anstrengen musste sich Taylor auch nicht: Er konnte voll und ganz darauf vertrauen, dass die meisten, die sein "Bobiverse" begonnen haben, nun auch wissen wollen, wie es zu Ende geht.